Datenschutz kontra Verbrechensbekämpfung

Im Internet prallen unterschiedliche Interessen aufeinander: Die User wollen anonym surfen und wehren sich gegen Kontrollen. Die Sicherheitsbehörden fordern hingegen mehr Transparenz im Netz.

Web-User hinterlassen mit jedem Mausklick eine Spur. Die Anbieter von Internetzugängen oder Webseiten, so genannte Provider, können daher auf zahlreiche Informationen zurückgreifen. Sie speichern mitunter das verwendete Betriebssystem oder die Konfiguration des Computers. Außerdem hinterlässt der Websurfer seine IP-Adresse, die wie eine eindeutige Absenderadresse funktioniert.

Auf der Suche nach kriminellen Surfern hilft allein diese Information der Polizei aber nicht weiter. Sie braucht für die Ermittlungen einen Namen und eine Anschrift. Und die kann nur der Provider feststellen ? wenn er denn will: "Die Polizei wendet sich in diesen Fällen direkt an die Internet Service Provider", sagt Sabine Frank, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter. "Die Provider entscheiden dann selbst, ob und in welcher Form die Polizei unterstützt wird."

Richterlicher Beschluss

Manchmal gibt es aber nichts zu entscheiden, weil die Polizei mit einem richterlichen Beschluss vor der Tür steht. Das musste auch die Technische Universität Dresden feststellen. In einem Projekt mit dem Namen JAP (Java Anon Proxy) forschen Wissenschaftler an einem Netzsystem, das anonymes Surfen ermöglichen soll. Ende August 2003 erzwang das Bundeskriminalamt (BKA) von den Uni-Mitarbeitern jedoch die Herausgabe eines Protokolldatensatzes, der Aufschluss über eine Straftat geben sollte. Für die Dresdner Forscher war diese Maßnahme besonders schmerzlich, schließlich mussten die Wissenschaftler erstmals einen ihrer vermeintlich anonymen Software-Nutzer preisgeben.

Projekt-Mitarbeiter Stefan Köpsell: "Es war zwar nie unser Forschungsziel, eine 100-prozentige Anonymität im Netz zu erreichen. Wir hatten uns auch die Frage gestellt, wie man im Einzelfall und in berechtigten Fällen die Anonymität aufheben kann, ohne gleich eine Massenüberwachung zu starten. Der Vorfall war daher eine interessante Erfahrung für uns, weil wir sehen konnten, wie in einem solchen Fall verfahren wird."

"Freiheit ist ein hohes Gut"

Der Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" vergibt jährlich den Preis "Big Brother Award". Diese Negativ-Auszeichnung wird an Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen verliehen, die nach Angaben des Vereins "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen." Vorstandsmitglied Rena Tangens ist über die Vorgehensweise der BKA-Beamten erschüttert. Der entstandene Schaden sei erheblich, sagt sie: "Freiheit ist ein hohes Gut. Das darf nicht so einfach untergraben werden, das Recht auf unbeobachtete Kommunikation ist wichtig."

Schon seit 1989 höre sie immer wieder die gleichen Argumente gegen ihren Standpunkt. Stets gehe es um die Bekämpfung von Kinderpornographie, Terrorismus, Drogenhandel und Neonazis im Netz. Davon lasse sie sich jedoch nicht beeindrucken: "Die klassischen Ermittlungsmethoden müssen auch in diesen Fällen ausreichen, um den Täter zu finden. Die Persönlichkeitsrechte im Internet dürfen darunter jedoch keinesfalls leiden."

Ingo Uhlenbruch

Deutsche Welle, 25. Oktober 2003
Original: http://www.dw-world.de/german/0,3367,1607_A_987619_1_A,00.html