BigBrotherAward geht an Bayer

Reale Orwell-Welt: Konzern noetigt Bewerber zu Drogentest per Urinprobe

Clemens Fobian

Der Dachverband der Kritischen Aktionaere hat es moeglich gemacht: Auf seine Einladung hin konnte der Bayer AG waehrend ihrer Hauptversammlung am Freitag ein Preis ueberreicht werden, den die Konzernspitze eigentlich nicht haben will. Kein Wunder, denn mit dem BigBrotherAward werden alljaehrlich Unternehmen und Institutionen geehrt, die es mit dem Schutz der Privatsphaere und persoenlicher Daten ihrer Mitarbeiter nicht so genau nehmen. Den Preis, dessen Name George Orwells Roman "1984" ueber einen fiktiven Ueberwachungsstaat entnommen wurde ("Big Brother is watching you"), gibt es bereits in 14 Laendern. In der Bundesrepublik wird er seit dem Jahr 2000 von dem Bielefelder Verein FoeBuD verliehen. Anders als andere Preistraeger war von der Bayer AG niemand zur Preisverleihung am 25. Oktober 2002 erschienen.

Der Konzern hat den Preis bekommen, weil er Bewerber, die im Unternehmen eine Ausbildung machen wollen, zu einem Drogentest zwingt. Dafuer muessen die Betroffenen eine Urinprobe abgeben. Formal koennen sie den Test ablehnen. Aber wer das tut, hat selbstredend schlechte Karten bei der Vergabe der Ausbildungsplaetze. Die Betriebsaerzte duerfen die Testergebnisse der Firmenleitung zwar nicht mitteilen, aber sie ziehen den Vermerk "Bewerber/in geeignet" oder "nicht geeignet" nach sich. "Urintests haben vor allem den Effekt, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuschuechtern und ihnen die Macht des Unternehmens zu demonstrieren", sagt Rena Tangens von der Brother-Award-Jury. Bei allen "Nebenwirkungen" seien die Urintests zudem fachlich "ausgesprochen unzuverlaessig". Nach Alkohol, auf dessen Genuss jeder dritte bis vierte Arbeitsunfall zurueckgehe, werde bei Bayer nicht gefragt. Bezeichnenderweise werden Drogenscreenings vor allem bei den unteren Lohnklassen durchgefuehrt. Ingenieuren, Programmierern und Managern wird diese Prozedur nicht zugemutet.

Mit der Preisvergabe fordert die Jury, dass Bayer die Drogenscreenings wieder abschafft. Oder man frage ersatzweise, "wann ein Test auf Alkohol und andere Drogen vor allen wichtigen Entscheidungen auch fuer die Geschaeftsleitung der Bayer AG eingefuehrt wird".

Junge Welt, 26. April 2003
Original: http://www.jungewelt.de/2003/04-26/014.php