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Frau Tangens, wie wird man eigentlich zum Hacker?


Rena Tangens, Stuttgarter Zeitung 23.01.1999


Tja, was ist das überhaupt, ein "Hacker"? Wer im Kino gewesen ist, kennt sich aus. Vom Klassiker "Wargames" bis zum aktuell angelaufenen Film "23" gleichen sich die Bilder: Ein Hacker ist ein cleverer, bleicher, manisch nachtaktiver Junge, der nichts anderes macht, als sich via Computer und Modem in den Rechenzentren der Nasa, der "Washington Post" öder des Bundeskriminalamtes zu tummeln - eine Art Robin Hood, der in fremden Datenwäldern wildert und für das Gute kämpft.

Keine Hacker - auch wenn sie in den Medien oft so genannt werden - sind jene Computerfreaks, die den Kopierschutz von Programmen knacken, die in Systeme eindringen, um sich persönlich zu bereichern, die Wirtschaftsspionage betreiben oder absichtlich Schaden anrichten. Die korrekte Bezeichnung für diese Spezies ist "Cracker". Der Unterschied ist grundlegend: Cracker zerstören. Hacker sind schöpferisch tätig.

Ein "Hack" ist manchmal eine mit heißer Nadel gestrickte, oft aber auch eine besonders elegante Lösung für ein Problem. Und "Häckse" ist das wunderschöne deutsche Wort für einen weiblichen Hacker.

Hacken ist keine Sache von Technik. Hacken ist eine Lebenseinstellung. Das wichtigste ist vielleicht, sich die kindliche Neugier zu erhalten: "Wie geht das und warum?" Dazu Freude an der intellektuellen Herausforderung, ein System zu begreifen und seine Grenzen auszutesten, Lust, kreativ-gestalterisch mit der Welt umzugehen. Freiheitsliebe, Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe und die Hartnäckigkeit, eine Sache zum Laufen zu bringen. Ohne diese Einstellung kann ich zwar Computerspezialist werden, niemals aber ein Hacker.

Hacker sind davon überzeugt, daß die Welt voll faszinierender Probleme ist, die gelöst werden wollen. Ein geeignetes Betätigungsfeld zur Entfaltung unserer Hacker-Kreativität finden wir in jedem Alltag.

Wie bringt ein Hacker das Toastbrot in einen genießbaren Zustand, wenn er beim Renovieren in der neuen Wohnung hockt und der Toaster noch in irgendeinem Umzugskarton vergraben ist? (Einfach das metallene Farbabstreifgitter auf die Herdplatte legen). Wie öffnet eine Häckse ihrem Nachbarn auch ohne Schlüssel die Wohnungstür, wenn der sich ausgesperrt hat? (Diese Fertigkeit wird "lockpicking" genannt. Näheres unter www.ssdev.org). Ich ärgere mich über den schlechten Service in der Gemüseabteilung des Supermarktes? (Selbstbedienungswaage öffnen, Resetknopf drücken. Preise programmieren lernen). Wie bekommt eine Häckse eine Postvollmacht für ihren Laden, dessen Name zwar stadtbekannt, aber nicht im Handelsregister eingetragen ist? (Nein, alles wird hier nicht verraten). Hacker sein, bedeutet viel Arbeit, aber auch Spaß.

Wem das alles viel zu unspektakulär, zu wenig technisch etc. ist, und wer immer noch einfach nur "das Internet hacken" will, gehe in Selbiges und frage eine Suchmaschine nach dem Stichwort "hack". Da findet sich Antwort auf die am häufigsten gestellten Fragen (etwa www.ccc.de) bis hin zu einer ernsthaften "Wie-werde-ich-Hacker-Anleitung" in 16 Schritten. Was wahre Häcksen eher amüsiert zur Kenntnis nehmen. Denn: "Hackers do it with fewer instructions". Ganz unzweideutig übersetzt heißt das: Hacker brauchen keine Anleitung.

© WWW-Administration, 21 Jan 03