Bürgerrechtler gegen Videoüberwachung

Heute haben Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen und Wissenschaftler eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die die SPD auffordert, von der Ausweitung der Videoüberwachung abzusehen. In der Erklärung, initiiert vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud), heißt es, dass die Ausweitung der Videoüberwachung die Grundrechte der Bürger verletze, ohne einen Beitrag zur Verbesserung der Kriminalitätsprävention zu leisten. Dabei beziehen sich die Unterzeichner besonders auf die englische NACRO-Studie, die das Ergebnis erbrachte, dass die Anbringung einer verbesserten Straßenbeleuchtung mehr zur Kriminalitätsverhütung beitrage als die Videoüberwachung.

Zu den Unterzeichnern, die Grüne und SPD auffordern, "sich den undurchdachten und populistischen Vorschlägen zu verweigern und für die Bewahrung der Bürgerrechte einzutreten", gehören Dr. Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, Nils Leopold, Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union und Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Außerdem haben sich Wissenschaftler und Sachverständige der Erklärung angeschlossen, etwa Dr. Helmut Pollähne vom Bremer Institut für Kriminalpolitik und Professor Hans Lisken, der an der Universität Düsseldorf lehrt, ein ehemaliger Polizeipräsident.

In dem "Positionspapier: Bündnis für Erneuerung NRW" für die Koalitionsgespräche erklärte die SPD die Absicht, "die landesgesetzlichen Voraussetzungen zu einem breiteren Einsatz von Videoüberwachung, Rasterfahndung und des Platzverweises zu schaffen und den Vorgaben der Rechtssprechung anzupassen." Gegen diese geplante Änderung hatte sich die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen bereits am 23. Mai ausgesprochen. Auch die NRW-Landesbeauftragte für den Datenschutz hat bereits Einwände formuliert. Die Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen steht seit Tagen unter einer Zerreißprobe, weil die SPD unter Ministerpräsident Steinbrück auf Konfrontationskurs zu ihrem Juniorpartner gegangen ist.

Die Erklärung zur geplanten Verschärfung der Videoüberwachung bezieht sich nicht nur auf die Kriminalitätsbekämpfung, sondern macht auf die grundsätzliche Dimension aufmerksam: "Bereits das Vorhandensein der Kameras ist wegen der durch sie hervorgerufenen Unsicherheit, ob ein Verhalten behördlich registriert wird, ein Grundrechtseingriff. Durch die Kameras und die damit verbundene öffentliche Beobachtung wird ein Konformitätsdruck erzeugt, der geeignet ist, Bürgerinnen und Bürger von der Ausübung ihrer Grundrechte, zum Beispiel von der Teilnahme an Versammlungen abzuhalten." (Detlef Borchers) / (anw/c't)

Heise Online, 06. Juni 2003
Original: http://www.heise.de/newsticker/data/anw-06.06.03-004/