Das Netz als sozialer Raum

Elektronische Friedensarbeit oder wie im 21. Jahrhundert eine Welt menschlich eingerichtet werden könnte.

Von Manfred Horn

Die öffentliche Geschichte von Rena Tangens und padeluun begann in den 1980ern, in grauen Vorzeiten heutiger PC-NutzerInnen. Sie kamen, sahen und hatten eine Idee: dass sich mit Computern neue Landschaften gestalten lassen.

Ihr Denken war von Beginn an nicht linear, auf ein Fortschrittsziel gerichtet. Sie wollten es lieber gemütlich. Was nicht langsam heißt, sondern menschlich. Der am Ausgang des 19. Jahrhunderts aktive Komponist Erik Satie half mit seinen Musikstücken, einen Vorstellung Wirklichkeit werden zu lassen. Saties Musik wollte Inneneinrichtung sein, war darauf gerichtet, dass sich das Publikum wohl fühlt. Rena Tangens und padeluun gebaren seiner Idee folgend die "Art d`Ameublement". Ihr Lieblingsstück von Satie: Vexations - zu deutsch: "Quälerei". Satie: "Diese Musik ist nicht zum ehrfürchtigen, passiven Zuhören, sondern sie ist ein Bestandteil des Raumes, wie ein Möbelstück oder die Raumtemperatur." Die beiden MedienkünstlerInnen stellen folglich nicht Produkte aus, sondern produzieren "Situationen, in denen sich die Leute begeben konnten". Ein Rahmen wird gewoben, in dem Menschen sich wohlfühlen und Lust verspüren, selbst aktiv zu werden. Für die Gemütlichkeit, die das Gemüt gleichzeitig aufrichtet, arbeiten die beiden allerdings hart. Rena Tangens und padeluun im Zeichen des @

Daten- und Menschennetze

In den 80ern wurde nicht Omas Sofa aufgestellt, sondern Computer mit flackernden Bildschirmen. "Wir wussten damals, dass dieses neue Medium einmal die Welt bestimmen würde", schaut padeluun zurück. Eine Umgebung, in der Menschen was tun können, ist Public Domain: 1985 erdacht, 1987 ins Leben gerufen, trafen sich hier anfangs Computeristen. Der Rechner wurde gleich mitgebracht, und los ging das muntere fachsimpeln und kopieren. Public Domain - heute eher Vortragsreihe, Diskussion und anschließendes kollektives Pizzaessen - erlebte inzwischen seine 105. Auflage, als im Juni Stephan Stuchlik von der Deutschen Welle über "Recherche - Journalismus und Wahrheit" sprach.

Doch damit nicht genug: 1987 gründete sich mit Rena Tangens und padeluun FoeBud, der Verein "zur Förderung des öffentlichen Bewegten und unbewegten Datenverkehrs", im Mai 1989 entstand das Bionic Mailboxsystem - ein Wunsch der Public Domain BesucherInnen.

Bionic wurde verkoppelt mit einem der ersten bundesweiten Bürgernetze - dem Z-Netz. Genutzt wurde es zum Beispiel, um nach der Tschernobylkatastrophe Verstrahlungsmessdaten bereitzustellen. Heute lebt die Bionic: Hier werden in Foren und auf "Brettern" Informationen getauscht, es wird argumentiert und diskutiert.

Rena Tangens und padeluuns Zwischenrufe verhallen nicht ungehört. Beide werden inzwischen von Unternehmen und Bundestag um Rat gefragt, wenn es um die Zukunft der Computernetze geht.

Informationsköhler und E-Commercer

Hat heute die Internetkommunikation Projekte wie das Bionic-Netz oder ZaMir überflüssig gemacht? Rena Tangens findet nein: "Elektronischer Austausch ist nur ein Teil". Es ist Bionic-Prinzip, dass einmal im Jahr ein Treffen aller TeilnehmerInnen stattfindet: "Wenn ich die Leute sehe, dann kann ich mir beim nächsten E-Mail vorstellen, wer das schreibt", meint Rena.

Überhaupt WorldWideWeb: es sei zunehmend geprägt von einsamen Surfern, die ziellos Signale aussenden. Die Realität werde dabei ausgeblendet, ein großes Spiel "ohne demokratische Folgen". Dort entsteht nicht das, was der Systemkritiker Robert Kurz so beschrieb: "Die eigentliche revolutionäre Bedeutung des Internet könnte in seinem Gehalt als postkapitalistisches Universalmedium liegen". Das, was global angefeuert wird, sind nicht kommunikative Gemeinden um ein zunächst virtuelles Lagerfeuer, die an gesellschaftlicher Entwicklung teilnehmen wollen, sondern die Brand-Marken großer Konzerne. Electronic Commerce ist der Schein einer verheißungsvollen Zukunft. Im Moment - die Aktien des "Neuen Marktes" boomen - ist Electronic Commerce aber lediglich eine riesige Geldvermehrungsmaschinerie. Rena Tangens und padeluun wollen eine andere Netzzukunft: öffentliche Mediencafés, in denen Probleme besprochen und Informationen eingeholt werden. Der Ort der "Informationsköhler" eben.

Sicherheit im Netz

Die Verschlüsselung von E-Mails ist Rena Tangens und padeluun ein besonderes Anliegen: Im Moment rauschen die Nachrichten völlig ungeschützt durchs Netz: jeder Administrator, jeder Anbieter kostenloser Mail-Adressen könnte die Inhalte lesen. "Es entspricht dem Verschicken von Postkarten", findet Rena Tangens. Sie empfiehlt die Benutzung von elektronischen Briefumschlägen. Pretty Good Privacy (PGP) ist ein professionelles Verschlüsselungsprogramm und dazu kostenlos im Netz verfügbar. PGP kann nicht nur verschlüsseln, sondern auch durch eine "elektronische Unterschrift" die Echtheit einer Nachricht garantieren. Der Verein FoeBud gibt ein umfangreiches Handbuch zu PGP (inklusive der Software) heraus, um die Nutzung von PGP zu erlernen.

KommuniCare
Original: http://www.kommunicare.de/01_themen/013_internet/foebud_jug.htm