Die Köpfe des Chaos Computer Club

Sie hackten das Nasa-Hauptquartier, das deutsche Bildschirrntext-System und Microsofts ActiveX. Nur wenige kennen ihre Namen, aber jeder ihre Organisation: den deutschen Chaos Computer Club (CCC). Konr@d zeigt die Menschen, die hinter den Schlagzeilen stehen

"Manche Hacker", schrieb der Spiegel® 1988, "wollen sogar durch massenhafte Verbreitung von PCs das Paradies auf Erden schaffen: das globale Dorf". Gemeint waren die Leute vom CCC. Durch spektakuläre Hacks hatten sie bereits Anfang der achtziger Jahre auf Schwachstellen und Fehler in Computersystemen hingewiesen. Heute werden sie von Unternehmen und Behörden um Rat gefragt. Man besann sich darauf, das Wissen der Datenstars lieber zu nutzen, als sie zu kriminalisieren. Die Menschen vom CCC haben die wichtigsten Themen der Informationsgesellschaft popularisiert. Die Hacker-Bilanz ist positiv: Ohne sie würden viele Institutionen bis heute keinen wirksamen Datenschutz betreiben, der Mißbrauch von High-Tech wurde eingeschränkt, statt dessen wurden kreative neue Möglichkeiten erschlossen. Das Paradies ist in Arbyte.

Mode von Walter van Beirendonck, Fotos: Felix Lammers, Styling: Petra Rodeck, Haar und Make-up: Rebecca Sommer

Andy Mueller-Maguhn "Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Post an Bord"
Andy Müller-Maguhn, 25, andy@ccc.de, Berlin

Der CCC-Sprecher ist das Inbild des Kommunikationsnomaden und wohnt praktisch in seinen beiden Handys und seinem Laptop. Er kam als 14jähriger Junge zum Club, inzwischen wird er als Sachverständiger zu Anhörungen des Bundestags geladen. "An Fragen der Datensicherheit werden wir ernst genommen, unsere Positionen als Netzbewohner werden noch nicht anerkannt. Im Netz geht es um einen neuen, gleichberechtigten Austausch von Meinungen"

Peter Franck "Der CCC ist kein Verein, sondern eine Geisteshaltung"
Peter Franck, 33, vic@kcs.de, Hamburg

Nom de guerre: Vic. Der ehemalige Nasa-Hacker ist heute als Elektronik-Sachverständiger tätig. "Im Chaos Computer Club habe ich zum erstenmal in meinem Leben Leute getroffen, von denen ich was lernen konnte. Und es ging dabei nicht einfach um neue Technik, sondern um neues Denken. So dichte Kommunikation hatte ich noch nirgendwo sonst erfahren"

padeluun "Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs"
padeluun, padeluun@bionic.zerberus.de, Bielefeld

Der Künstler möchte seine Kunst nicht in Rahmen sperren. Er beschreibt seine Ideen am liebsten im offenen Nachrichtenstrom der Netze oder bei Veranstaltungen, die Menschen mit unterschiedlichen Interessen zusammenführen -Technik, Zukunft, Politik, Kultur. Eines seiner Projekte ist ein Mediencafé, das als "Dorfbrunnen im Globalen Dorf " fungieren soll. An den Leuten im CCC mag er "das Leuchten in den Augen".

Rena Tangens "Wir hacken keine Systeme. Wir machen selber welche auf"
Rena Tangens, rena@bionic.zerberus.de, Bielefeld

Die Medienkünstlerin berät unter anderem den Bundestag in Sachen Informationsgesellschaft und hat einen faszinierenden Bericht über ¯Das Leben im Netz® veröffentlicht. Sie betreibt die //Bionic-Mailbox, einen florierenden Umschlagspunkt der alternativen elektronischen Öffentlichkeit in Deutschland. Rena Tangens hat die "Häcksen" - die weiblichen Hacker - in den Chaos Computer Club gebracht: "Als Frau wurde man in der Szene als exotisches Wesen angesehen"

Konrad, Januar 1997