Einschläfernde Netz-Revolution

Statt des tausendsten Aufgusses der Debatte um Pornographie im Netz soll das nun erschienene Buch "Die Netz-Revolution - Auf dem Weg zur Weltgesellschaft" zeigen, "wie sehr es sich lohnt und was es für einen Spaá machen kann, die Netze kennenzulernen". Ob es dazu zwangsläufig nötig ist den Leuten das Bücherlesen madig zu machen? Zumindest drängt sich diese Intention im Laufe der Lektüre des Buches auf. Viele der Essays bleiben in den Ansätzen vager Vermutungen und Thesen stecken, etwa wenn es um die Bildung von netzspezifischen Identitäten oder auch die tatsächlichen Machtverhältnisse im angeblich ja so anarchistischen intemet geht. Angenehm unsachlicher fällt der Text "Warum Ratten leise singen" der Bielefelder FoeBuD-Mitglieder Rena Tanges und Padeluun aus der Menge der übrigen heraus.
Eher unfreiwillig komisch kommt das Essay "Marketing im Internet" daher, in dem es etwa heiát: "Denkt man nur an all die Studenten, die heute schon kostenlos im WWW surfen, wie schnell hat man da nicht mal eine Hose bestellt." Ansonsten findet sich unter den Texten wenig Atemberaubendes oder gar Revolutionäres, zumal seitenlange Erörterungen des Herausgebers über die technischen Spezifikationen der im Text verarbeiteten Rohdo kumente doch recht einschläfernd wirken.
Martin Rost (Hrsg.): Die Netz-Revolution - Auf dem Weg in die Weltgesellschaft, Eichborn Verlag 1996, ISBN 3-8218-0978-7

Stadtblatt, 05. Juni 1996