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Das Familienalbum

Wie sind Hacker? Die Dokumentarfilmerin Christine Bader blickt in ihrem Film "Hacks" hinter die Kulissen

VON CHRlSTlANE SCHULZKl - HADDOUTl

Wer sich Hacker als pickelige, m Verfolgungsängsten gejagte junge Männer vor- stellt, die nächtelang an Linux-Rechnem schrauben und im Usenet erbarmungslose Haß-Tiraden gegen Microsoft abfeuern, wird von Christine Baders Film "Hacks" enttäuscht sein. "Hacks" wirft einen Blick hinter die Kulissen, die Filmautorin präsentiert Menschen, die über das Hacken an sich , sprechen oder über Sinn und Potential des weltweiten Datennetzes philosophieren.

Christine Bader interessierte sich weniger für das Spektakuläre und Heroische. Interviews, in denen sich Hacker-Egos selbstverherrlichend zu präsentieren versuchen, schnitt sie heraus. "Bescheidene Leute" vor der Kamera seien ihr lieber. Damit meint sie beispielsweise die Bielefelder Medienkünstler Rena Tangens und padeluun, die "immer dran, immer da sind und einfach ihre Arbeit machen". Bäder lenkt den Blick aufs Kreative, manchmal Chaotische, aufs Spielerische. Damit die Statements nicht allzu staatstragend wirken, hüpfen kleine animierte Tricktierchen als augenzwinkerndes Smiley-Äquivalent über das Bild.

Der Film emanzipiert sich schnell vom herkömmlichen "Hack"-Verständnis. Fast programmatisch beißt es zu Beginn des Films, ein Hack sei die "elegante Lösung eines kniffligen Problems" und Hacking sei nicht "ein technisches Ding, sondern ein Way of life". Dem klassischen Eindringen in gesperrte Datenbereiche mit Hilfe technischer Tricks wird zunächst die Methode des, "Social engineering"; entgegengestellt:

Für manche Hacker ist es inzwischen interessanter, Informationen direkt aus Menschen hervorzulocken als auf dem Umweg über den Computer. Sozialen Hackern genügt in der Regel ein Münzfernsprecher, um als vorgebliche Wartungstechniker oder Mitarbeiter einer Personalabteilung ahnungslosen Opfern Paßwörter oder ähnliche Daten zu entlocken.

Die Art und Weise, wie Menschen individuell und kreativ mit Technik umgehen, steht im Mittelpunkt des Films. So."zählt ein kurzes Stück von behinderten Computernutzern, die ihre PCs nutzen, um ihr Leben selbstbestimmter führen zu können. Für Bader ist selbst das Treiben des radikalen Umweltschützers und Greenpeace-Mitgründers Paul Watson ein gigantischer Hack. Watson rammt mit seiner "Sea Shepherd" systematisch Walfischfänger auf allen .Ozeanen der Welt Die Umwelthacks von Watson stießen beim Publikum diverser Film- und Hackerfestivals auf die widersprüchlichsten Reaktionen: Während die einen diese Episode schlicht für eine Themaverfehlung halten, erzeugt die Radikalität von Watsons Vorgehen und die ideelle Verbindung zum Hacker-Gemeinwesen bei anderen wiederum heiße Ohren und hitzige Debatten um das eigene Selbstverständnis.

In Baders Film über die europäische Hackerszene gibt es eine Menge kleiner kritischer Anspielungen, die nur Szenekenner entdecken werden. Für Insider ist der Film eine Art Familienalbum - jeder kennt jeden, und alle sind irgendwie miteinander verbunden. Baders Blick kommt immer von innen, nie von außen. Für Außenstehende öffnet er dennoch einen kurzen Blick auf die Denkwelten und Träume, das Lebensgefühl einer alternativen Medienszene. Dabei bleibt es auch - einen intellektuellen Diskurs will und kann dieser Film nicht leisten. Einige der Filmszenen erscheinen heute, fünf Jahre nach Drehbeginn, bereits in nostalgischem Glanz: so die euphorischen Amsterdamer Netzwerker von xs4all und der Digitalen Stadt, die in ihrem basisdemokratischen Gesellschaftsverständnis nicht nur den Netzzugang für alle, sondern auch freie Information für alle Bürger organisieren wollten. Inzwischen sind sie längst Bestandteil des alternativen Internet-Establishments.

Filmstart für "Hacks" war am Donnerstag in Berlin. In Freiburg wird der Film wahrscheinlich im Januar im Kommunalen Kino (Tel 709033) zu sehen sein; die Medienwerkstatt Freiburg (Tel. 709757) will den Film voraussichtlich in ihr Verleihprogramm aufnehmen.


Wochenzeitung, 15. November 1998


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