Ihr seid alle entlassen.

Zwei die zusammengehören: Computer und Personalchef

Ihr seid alle entlassen - genauso provokativ wie der Titel der Veranstaltung begann auch Martin Husemann seinen Vortrag auf dem 32. Public Domain Computertreffen am vergangen Sonntag im Bunker Ulmenwall. Er stellte sich als Personalchef vor und begrüßte alle Gäste als neue Mitarbeiter seiner Firma, um dann auch gleich anzufangen, die Daten der »neuen Mitarbeiter« in seinen Computer einzugeben. Genau dieses war nämlich auch das Thema des Vortrags: Die Simulation eines Personalinformationssystems.

Martin Husemann ist Informatikstudent aus Paderborn und arbeitet als freier Kursleiter beim "Institut für Informationstechnologie und Bildung« in Bielefeld. Ein erster freiwilliger »neuer Mitarbeiter« mußte zwölf Persönliche Daten (Name, Vorname, Geschlecht, Nationalität, Alter, Anzahl der Kinder, Familienstand, Konfession, Länge des Fahrtwegs zur Arbeit, seit wieviel Jahren im Betrieb, Stellung, eine innerbetriebliche Note, Stundenlohn, Anzahl der gefehlten Tage und Gewerkschaftszugehörigkeit) in den Computer eingeben. Dort befanden sich bereits die Datensätze von etwa 140 imaginären Mitarbeitern. Mit diesen Datensätzen und dem Computer war es nun möglich, innerhalb kürzester Zeit bestimmte Personen nach bestimmten Kriterien heraus zu filtern. Sei es mit Kriterien wie lange Betriebszugehörigkeit, wenig Fehltage etc., um ihnen bei der Weihnachtsfeier eine bestimmte Prämie zukommen zu lassen: sei es mit Kriterien wie »viele Fehltage" und "Familienstand: ledig«, um sie gegebenenfalls zu entlassen, wenn die betrieblichen Umstände Entlassungen erfordern.

Selbstverständlich handelte es sich bei diesem Personalinformationssystem um ein sehr vereinfachtes Beispiel. Es gibt Systeme, die in der Lage sind bis zu 4800 Daten pro Person zu verwalten. Bei solchen Systemen ist es dann auch möglich über bestimmte Stechuhren und andere Geräte die Anwesenheit am Arbeitsplatz, sowie die Arbeitsleistungen zu kontrollieren. Auch ist die Kündigung der ausgefilterten ArbeitnehmerInnen nicht so einfach, denn hier sind selbstverständlich die Kündigungsschutzbestimmungen zu beachten. Aber prinzipiell zeigt Martin Husemann, was mit Filterungen möglich ist.

Betriebsräte werden ausgehebelt

In der Praxis ist aber die Erhebung von Daten seitens des Arbeitgebers oder Personalabteilung nicht einfach möglich. Das Datenschutzgesetz schreibt vor, daß in einer Betriebsvereinbarung zuvor mit dem Betriebsrat abgesprochen werden muß, welche Daten erhoben werden dürfen. Auch muß dem Betriebsrat transparent sein, was mit den Daten geschieht und ob, und wenn ja, wie gefiltert wurde. Für diesen Zweck sollen die Personalinformationssysteme einen Zugang für den Betriebsrat haben, mit dem er oben erwähntes kontrollieren kann. Der Betriebsrat soll kontrollieren können, was für Daten, allerdings nicht welche spezielle Daten erhoben werden. Soweit so gut. Es ist aber keine besondere Schwierigkeit für einen Programmierer, ein Programm so zu schreiben, daß der Betriebsrat mit seinem Zugang zum System nur einen Teil der Daten zu Gesicht bekommt, ihm aber der Eindruck vermittelt wird, es seien alle. Erst auf das Password des Chefs erscheinen alle Daten. Es besteht aber auch die Möglichkeit besonders bei MS-DOS Rechnern die Datensätze einfach zu kopieren und an einem anderen Rechner auszuwerten. Auch dieses bleibt dem Betriebsrat dann unbekannt.

Martin Husemann schließ daraus, daß Datenschutz in Betrieben nur dann möglich sei, wenn ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat herrscht. Nur so sei es möglich, daß das »Recht auf informelle Selbstbestimmung" das seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung jeden berechtigt zu erfahren, was für Daten über ihn gespeichert werden, durchzusetzen. Martin Husemann beabsichtigt mit seinen Vorträgen die Leute für das Thema Datenschutz zu sensibilisieren. »Die meisten sind ja selbst betroffen und welcher Betriebsrat kennt sich schon mit EDV aus." Er möchte es auch schaffen, Leute für die Betriebsratsarbeit zu moti vieren. Sein Resümee: -Die genau Kontrolle des Datenschutzes kann es nicht geben.«

Tobias Nehls

Stadtblatt, 06. Juni 1991