"Autobahn" gefährdet Privatheit

Bremer Datenschützer Franz Werner Hülsmann hielt Vortrag im Bunker

Franz Werner Hülsmann Bielefeld (vdH). Der Bremer Datenschützer Franz Werner Hülsmann sieht die Privatsphäre deutscher und europäischer Bürger durch die Datenautobahn der Zukunft gefährdet. Auf Einladung des Bielefelder Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) referierte Hülsmann im Bunker UlmenWall.

Es war die 64. Veranstaltung der FoeBuD-Serie "Public Domain", die sich vor allem mit Themen wie Technik ' Zukunft, Politik und Kultur befaßt. Größte Probleme sieht Hülsmann durch die mit den Datenautobahnen ermöglichten interaktiven Dienste verursacht. Dabei bestimmt der Benutzer vom Wohnzimmer aus, weiche Daten an ihn verschickt werden. "Bei diesen Datenautobahnen wollen wir die Raststätten und Bürgersteige bauen", meinte dazu Rena Tangens, Vorstandsmitglied des FoeBuD.

Die seien deshalb notwendig, so Hülsmann, weil Benutzer interaktiver Dienste Datenspuren hinterlassen, die viele Informationen über ihr Persönlichkeitsprofil preisgeben. Rechtsgrundlage muß geschaffen werden. Im harmlosesten Fall könnten diese Informationen von Marketingstrategen ausgenutzt werden. Wer über Tele-Shopping per Datenlelektronischeneitung Waren bestellt oder per Kabel in elektronischen Katalogen blättert, um sich individuell bevorzugte Produkte anzusehen, verrät, wofür er sich interessiert.

Diese Daten können gesammelt und genutzt werden, "um die Erzeugung künstlicher Kaufinteressen zu forcieren, so der Experte. Ebenso verrate jemand einen großen Teil seiner Interessenstruktur, wenn er sich gezielt bestimmte Filme im System "Video auf Anforderung" auf die Mattscheibe holt.

Eine fatale Dimension könne das Problem erreichen für Menschen, die sich in Literaturdatenbanken oder ähnlichen Quellen informieren. So könne jemand in ein Raster gelangen, der sich per Kabel über Zugverbindungen zu einem Ort informiert, an dem größere Demonstrationen stattfinden. Oder wer politisch nicht konforme Literatur auf dem Bildschirm liest. "Wer Karl Marx liest und sich auch noch über Sprengstoffe informiert hat, landet so möglicherweise in der Rasterfahndung", auch wenn er es nur aus historischem Interesse gemacht habe. Hülsmann kritisierte, "daß die Ausgestaltung der Datenautobahnen nur der Privatwirtschaft überlassen wird". Und er forderte: "Der Staat muß eingreifen, die Grundrechte sichern und eine solide rechtliche Basis schaffen."

Stadtblatt, 04. April 1995