Telepolis: quer und sperrig

Von Ariana Mirza

Uebte scharfzuengige Kritik: Armin Medosch. Wenn er hin und wieder Kritik am Internet üben würde, hieße das nicht, er würde es nicht lieben, bemerkt Armin Medosch augenzwinkernd gleich zu Anfang seines Vortrags. Und mit Kritik wird nicht gespart, im Laufe eines spannenden Sonntagnachmittags im Bunker Ulmenwall Chancen und Grenzen der redaktionellen Arbeit im Internet stehen diesmal im Mittelpunkt einer Veranstaltung des FoeBud e. V. Bielefeld. Eingeladen ist eben jener Armin Medosch, Redakteur des Online-Magazins "tetepolis" und scharfzüngiger Ideologiekritiker.

Ein Online-Magazin kann (bevor es eve ntuell in Buchform erhältlich ist) nur übers Internet eingesehen werden. Es richtet sich also an diejenigen, die Anschluß haben - sowohl an das Netz als auch an das Zeitgeschehen. Diesem Fakt wird in "telepolis" Rechnung getragen. min Medosch und Koredakteur Florian Rötzer beschäftigen sich in ihrer Publikation ausschließlich mit den weitreicheriden Phänomenen der globalen Medien- und Netzkultur.

Im Gegensatz zu anderen Online-Magazinen gestaltet sich der Themenkatalog von "telepolis" weniger "netzeuphorisch". Kritisch setzt sich das Magazin mit Themen wie interaktive Medien (der Geschlechterrollen im Internet auseinander. Die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen der elektronischen und medialen Entwicklung werden laufend beobachtet und analysiert. Denn die Ausgangsposition der redaktionellen Arbeit ist, laut Armin Medosch, das Interesse an den konkreten und fiktiven Wechselwirkungen zwischen realer, urbaner (vernetzter) Welt und digitaler Netzwelt. Mit diesem Ansatz unterscheidet sich "telepolis" grundlegend von anderen Online-Magazinen, die sich durch eine, eigene Ästhetik und netzinterne Inhalte von der Außenwelt abgrenzen, um eine Art kulturrevolutionäre Elite zu bilden. Eine Einstellung, die Armin Medosch nicht nachempfinden kann.

Nicht nur in den eigenen Reihen der Internet-User übt der Redakteur Kritik. Er prangert auch den verfehlten Umgang des Staates mit den neuen Medien an. Statt Zensurbemühungen erwarte er produktive Mitarbeit, etwa im Sinne der öffentlich-rechtlichen Programme mit ihrem Bildungsauftrag. Kulturträger würden die Möglichkeiten des Netzes ungeachtet lassen und somit den Wirtschaftskräften das Feld überlassen. Denn - einigen mag das nicht bewußt sein - die Präsenz im Netz kostet Geld. Und auch "telepolis" ist über kurz oder lang auf Werbeeinnahmen angewiesen. Was Medosch begrüßt, denn er sieht seine redaktionelle Freiheit nicht gefährdet.

"Wir bleiben quer und sperrig", betont er, Zugeständnisse gäbe es nur bei der visuellen Präsentation und der stärkeren Integration von kurzen Trend- und Hip-News: Ein Versuch der Redaktion, "User" auch über die intellektuelle Netz-Elite hinaus zu gewinnen.

Daß neueste technische Entwicklungen in erster Linie zur Durchleuchtung und Kontrollierbarkeit des Bürgers nutzbar gemacht werden, ist Medosch ebenfalls ein Dorn im Auge. Hier appelliert er an die einzelnen, sich nicht als Ausgelieferte zu definieren, sondern aktiv und politisch Einfluß zu nehmen. Auch die technische Entwicklung sei kein Automatismus, von dem man überrollt wird, sondern lenkbares Werk von Menschen. Nach so viel nachdenkenswerterl Einlassungen bemüht sich der Referent, die positiven Seiten des Internets noch einmal ins Licht zu rücken. Die liegen seiner Meinung nach immer noch im unzensierten dezentralen Nachrichtenfluß. Die Informationen aus dem Netz seien, gerade bei tagespolitischen Ereignissen, fast schon unerläßlich, da die Presseberichterstattung oft unbefriedigend und oberflächlich sei.

Dann schließt Medosch seinen Vortrag mit einem kleinen Seitenhieb auf die Print-Journalisten, deren Borniertheit ihn oft erstaune. Die Recherche des Online-Journalismus sei genauso sorgfältig - oder eben auch nicht - wie die der Presseagenturen, lautet sein Credo.

Ein Tip für alle, die jetzt neugierig geworden sind: Werfen Sie mal einen Blick in "telepolis" Die InternetAdresse lautet: http://www.heise.de/tp

Neue Westfälische, 23. Mai 1998