DESIGN

Dunkel ins Licht

Der Künstler und die Glühbirne: Stiletto bei der 97. public domain Im Bunker

Matthias Harre

Stiletto Den Blick für Neues schärfen, das ist der Auftrag der Public domain-Reihe vom FoeBuD e. V.. Und da macht wenig mehr Sinn, als einen Designer namens Stiletto einzuladen. Der retrovisiert seit geraumer Zeit die Glühlampe an sich, also lautet das Motto des Nachmittags im Bunker Mehr Nacht!. Design hat gern was mit Installation zu tun: Das Publikum ist dabei, wenn Stiletto seine Objekte mit Hilfe des Schweizer Offiziersmessers Nr. 5 (Design-Klassikerl) in die Szene hängt.

padeluun, Einlader und anchorman des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V. (FoeBuD e.V.), versteht sich auf den Umgang mit dem Schraubendreher, verbindet qua Lüsterklemme teilummanteltes Metall, und pünktlich um halb vier sind dann zwei von über zwanzig im 'Raum verteilten Glühlampen(-birnen!) mit dem Netz verdrahtet. Die eine erhellt das Hängemodell lke A. JONES, ein an die Palettenbetten der Initiations-WGs mahnende Kistenholzkonstruktion in Schwedisch-Kiefer, die andere ist Mittelpunkt der Tischleuchte TESLA KID, dem »weltweit ersten Sparkronleuchter, bei dem alle Birnen(!) leuchten, obwohl nur eine angeschlossen ist.« Eine von neun. Die übrigen installierten Lampen sind Modelle aus den Reihen Blackout 2000 und Mehr Nacht, die als reine Reflektoren dienen. Mehr nacht, das Weihnachtsmodell, ist eine vollverspiegelte Allgebrauchslampe, die sich als Baumschmuck anbietet, während Blackout 2000 in der Silvesternacht den Y2K-Ängsten begegnen will: Sie wird von einem Bug-sicheren Teelicht erhellt. Beide Modelle werden aus Sicherheitsgründen ohne Glühwendel geliefert.
Aber der Bunker ist nicht nur Ausstellungsraum, er eignet sich auch zum Erzählen. So will es das Programm, entsprechend präpariert ist der Künstler. Die Eingangsworte danken der mitgereisten Kerstin Quitsch fürs termingerechte Wecken. Sie - (nicht nur) Vertriebsleiterin von Stiletto DESIGNVERTReiB - verkörpert das alte Wort: Hinter jedem Stiletto steckt ein Superstiletto. Der Meisterschüler von Nam June Paik wird seit über 18 Jahren des Designs verdächtigt. Seit seinem Angriff auf das MöbelDesign sammelt er internationalen Ruhm: Er befreite herrenlose Einkaufswagen von ihrem einsamen Schicksal und bog sie zum Armlehnstuhl. Ergebnis: sinnlose Designermöbel, die sich unter dem Namen Consumer's Rest Lounge Chair mittlerweile weltweit in den wichtigsten Designsammlungen besitzen lassen.
Der Weg zum Licht begann für Stiletto als Antwort auf die Einführung des von ihm verabscheuten Halogenlichts: »Das sind eigentlich Autoscheinwerfer, die blenden einem immer ins Gesicht und beleuchten nie das, was man sehen will.«

Glühbirnenkartell und Lampenmonopol

Mitgebrachte 3D-Betrachter lassen das Referat multimedial werden. Drei verschiedene Dia-Serien wandern nach dem Prinzip Schlange durchs Auditorium, begleiten das ausführliche Referat um die Propagandisten des künstlichen Lichts und deren vergessene Gegner, die Einzelkämpfer gegen Einheitsdesign und Lampenmonopol. Edison hielt den natürlichen Schlafrhythmus für Zeitverschwendung, für eine anarchische »Entschuldigung, nicht zu arbeiten«. Folgerichtig erwies er sich als knallharter Global Player, der den eigentlichen Erfinder der Glühbirne, Heinrich Goebel, erst zu Tode prozessierte, um dann der durch die Prozeßkosten verarmten Familie die Patente abzukaufen. Die Übermittlung der letzten Worte Goethes Mehr Licht! zweifelt Stiletto an und stellt richtig: Mehr Nicht! Und Mehr Nicht! bedeutet zum Beispiel die künstliche Begrenzung der Lebensdauer einer Glühbirne auf 1000 Stunden, die seit 1924 vom internationalen Glühlampenkartell festgelegt ist.
Und dann noch die Geschichte vom Weddinger Erfinder Dieter Binninger. Der patentierte zeit gleich mit der Einführung der zweifelhaften, weil quecksilberhaltigen Energiesparlampe eine ewig haltbare Lampe, die den Interessen der Industrie diametral entgegenstand. A Is die Realisierung einer Industriellen Produktlon kurz bevorstand, starb er 1991 unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz. Viel Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker, Stiletlos Antwort: Blackout 2000, denn auch der Y2K ist nicht so schlimm wie die Hysterie, die um ihn taut.

Im Netz: www.foebud.org, www.stiletto.de.

Stadtblatt, 07. Oktober 1999