Big Brother Award 2003

Der Big Brother Award - keineswegs eine abseitige Veranstaltung paranoider Datenschützer in einer ostwestfälischen Provinzmetropole, sondern ein ernstzunehmendes Anliegen, auf mehr Datentransparenz im öffentlichen Leben hinzuwirken.

Am vergangenen Freitag verlieh der FoeBuD e.V., der "Verein zu Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs" in Bielefeld, den "Datenschutznegativpreis für Datenkraken" zum vierten Mal. Der Murnau-Saal in der Ravensberger Spinnerei war zum Bersten voll, Publikum wäre genug da gewesen, allein - die Preisträger fehlten dieses Jahr wieder. Natürlich lässt sich niemand gern dafür auszeichnen, sich datentechnisch "nicht ganz sauber" verhalten zu haben oder sich schlicht auf datenschutzrechtlich bedenkliche Tatbestände aufmerksam machen zu lassen. Im Jahr 2003 erschien immerhin der Konzern-Datenschutzbeauftragte von Microsoft, um den "Lifetime"-Award für das DRM entgegenzunehmen. Dieses Jahr allerdings blieben alle sieben Preisträger der Kategorien Behörden (Regierung der Vereinigten Staaten für die Übernahme von Passagierdaten der Fluggesellschaften), Kommunikation (T-Online), Verbraucherschutz (Metro AG für die "Future Store Initiative"), Regionales (Der Berliner Innensenator für den Einsatz der "stillen SMS"), Politik (die Länder Thüringen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern), Arbeitswelt (Deutsche Post Shop GmbH) und Lifetime (GEZ) der Preisverleihung fern. Die Laudationen wurden deshalb von kabarettischem Ersatzprogramm konterkariert. Padeluun, prominentes FoeBuD-Mitglied, brachte dabei insbesondere das rhetorische Unternehmensgebaren, das bisweilen in der Grauzone zwischen Datensammeln, Datenbewahren und Datenschutz auftritt, schön auf den Punkt: "Wir können die Daten nur schützen, wenn wir sie auch haben!"

Die Jury, bestehend aus FoeBuD-Mitgliedern, dem CCC, der Humanistischen Union, der DVD (deutsche Vereinigung für Datenschutz) zeigt bei den Nominierungen Fingerspitzengefühl in der Mischung zwischen Tatsachen und möglichen Gefahren. So zeigte sich T-Online gar nicht begeistert, den "Big Brother Award" der Kategorie "Kommunikation" für das Speichern von IP-Adressen der T-DSL-Flatrate-Kunden zu erhalten. Zum einen bewege man sich unterhalb der gesetzlich zulässigen Spoeicherungsdauer und -art - und zum anderen fehle völlig der Verweis auf andere ISPS, die ebenfallls IP-Adressen sammlen. Stimmt. Bestreitet die Jury auch nicht. Wünschenswert ist jetzt, dass in diesem und anderen Fällen Datenschützer und Awardgewinner (und deren Mitbewerber) in den Dialog treten. Der "Big Brother Award 2004" kommt bestimmt!

27.10.2003 neues.online michael schneider | film: s. keppler

3sat, 27. Oktober 2003
Original: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/neues/dial/52274/