Der Kartenkampf um König Kunde

Wie Rabatt-Systeme Käufer locken sollen

Wenn sie es nur sehen könnte, es würde Oma wohl warm ums Herz. Wer in diesen Tagen Station beim Tankstellen-Multi Esso macht, der ist live dabei, bei der Renaissance des Rabattmarken-Heftchens. Etwas poppiger als anno dazumal kommt es daher, nennt sich in schickem Denglisch ?Swop? und die Klebemärkchen glänzen in feinstem Esso-Rot. Das System aber ist dasselbe: Pro zehn gezapfte Liter Kraftgesöff erhält der Autofahrer eine ?Swop?-Wertmarke, wer diese brav in sein Heftchen pappt, erhält bei entsprechender Anzahl einen Reise-Trolley, eine Uhr. Fernziel ist gar ein Mountainbike ? auch wenn dies bis zum Auslaufen der Swop-Aktion im September selbst für Taxifahrer schwer zu erreichen sein dürfte.

Der Kampf um des Königs Kunden Portmonee-Inhalt ? selten tobte er heftiger. Das Zauberwort der Kombattanten heißt ? in edelstem Marketing-Deutsch: Kundenbindungsprogramme. Beliebtestes Vehikel: die Rabatt versprechende Kundenkarte.

Ende des Jahres: 60 Millionen Karten

Vor lauter Plastik droht es mittlerweile richtig eng zu werden in deutschen Brieftaschen. Steckten 1998 gerade einmal 29 Millionen Kärtchen in den kleinen Seitenschlitzen, waren es Ende letzten Jahres bereits 49 Millionen. In 2002 sollen weitere zehn Millionen dazukommen.

Branchenprimus ist die ?Payback?-Karte mit rund 15 Millionen Rabatt-Jüngern. Das System ist ebenso simpel wie genial: 25 Firmen vom Internetprovider AOL über die Warenhausketten Real und Kaufhof bis zum Heimwerker-Mekka Obi gewähren ihren Kunden bei Vorlage des blauen Payback-Kärtchens Rabatte in Form von Bonuspunkten. Beispiel Kaufhof: Für 1 Euro Umsatz erhält der Käufer drei Payback-Punkte. 100 nach dieser Eichhörnchen-Methode gesammelte Payback-Punkte entsprechen einem Euro ? der Kaufhof-Rabatt beträgt also 3 Prozent.

Hat der fleißige Käufer 1.500 Pünktchen angehäuft, kann er sich den Gegenwert auf sein Bankkonto buchen lassen oder sich über Sachprämien freuen.

Erst Mitte Februar ließ die Münchner Payback-Betreiberfirma Loyalty Partner ein neues schlagkräftiges As im Poker um die Kunden-Pinke aus dem Ärmel rutschen. Payback- Kundenkarten können dank eines Deals mit dem Kreditkarten-Giganten Visa nun auch mit einer Bezahlfunktion ausgestattet werden. Jährliche Kosten: 20 Euro. ?Die Payback-Karte soll damit den Status der ersten Karte im Portmonee erlangen?, umreißt Loyalty- Chef Alexander Rittweger das Ziel.

Der Visa-Payback-Deal kommt nicht ganz zufällig. Denn mit dem Kundenbindungsprogramm ?Happy Digits?, ausbaldowert von der Deutschen Telekom und Karstadt-Quelle, steigt erstmals ein schlagkräftiger Konkurrent in den Ring. Rund acht Millionen Kundenkarten bringt allein der Warenhauskonzern (unter anderem Hertie, Sinn Leffers) mit in die Ehe ? über die gigantischen Verbreitungsmöglichkeiten des ehemaligen Telefon-Monopolisten muss kein Ton mehr verloren werden.

Goldgräberstimmung wie am Klondike

Paradiesische Zeiten also für uns Schnäppchenjäger zwischen Flensburg und Füssen? Verbraucherschützer sind da nicht ganz so sicher. Zwar hat Dirk Klasen von der Verbraucherzentrale ?eine Goldgräberstimmung wie seinerzeit am Klondike? ausgemacht, in der der Phantasie keine Grenzen gesetzt seien.

Trotzdem bereitet die grassierende Karten-Manie auch Sorge (Beitrag unten). Nur in den seltensten Fällen gehen die gewährten Rabatte über 3 Prozent hinaus ? das war auch schon vor dem Fall des antiquierten Rabattgesetzes drin.

Die Verbraucherzentralen raten den Kunden daher, im Rausch der Rabatte nicht auf die gewohnten Preisvergleiche zu verzichten. Schließlich könnte die begehrte Digitalkamera trotz der Punktelawine beim kleinen Händler um die Ecke noch immer deutlich billiger sein. Und: Geschenkt bekommt der Konsument auch heute nichts: Wer sich beispielsweise bei ?Happy Digits? einen DVD-Player als Prämie sichern will, muss zuvor wie ein Weltmeister telefoniert oder sonstwie reichlich Geld verjuckt haben ? genau 43.500 Euro . . .

?Big Brother?: Der gläserne Konsument

Gut 300 verschiedene Kundenkarten buhlen schon heute um die Käufergunst ? nicht nur zur Freude der Datenschützer. Grund: Oftmals wird aus dem plastikbestückten Konsumenten ganz schnell der gläserne Kunde.

Für die Anbieter sind die kleinen Wunderkärtchen nämlich zuallererst eine mächtige Marketing- Waffe. Denn um beispielsweise in den Genuss der begehrten Payback-Rabatte zu kommen, müssen Kunden viele private Daten wie Geburtstag oder E-Mail-Adressen preisgeben. Daten, die in den Augen der Verbraucherschützer für eine Rabatt- Gewährung völlig überflüssig sind.

Und: Mit jeder Vorlage der Karte gibt der Kunde ein Stückchen seiner privaten Lebensweise preis. Welche Socken er bei Kaufhof, welche Kondome er bei dm und welche Badezimmerarmaturen er bei Obi kauft ? alles wandert in die Datenbank. Am Ende steht ein durchaus aussagekräftiges Konsumentenprofil, das die Partnerunternehmen weidlich ausnutzen können.

Dass dies geschieht, ist ein offenes Geheimnis: Auf seiner Website sucht der Payback- Betreiber Loyalty Partner mal wieder Datenbank-Spezialisten.

Die Vorwürfe gegen Payback sind nicht neu: Schon im Jahr 2000 verlieh die Organisation ?Privacy International? dem Unternehmen den ?Big Brother Award?. Eine zweifelhafte Ehre: Mit dem Preis werden Firmen geehrt, ?die sich in besonderer Weise um die Verletzung der Privatsphäre verdient gemacht haben?, heißt es in der Satzung der Preisverleiher.

Ulrich Halasz

Aktiv-Wirtschaftszeitung, Juni 2002
Original: http://www.div-aktiv.de/aktiv06-02/aktiv-3.htm