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Berliner Morgenpost, 28. Oktober 2000

Anti-Preis für fleissige Datensammler

Big-Brother-Jury zeichnete Firmen und Organisationen aus, die die Bürger ausspionieren

Von Detlef Borchers

Zum ersten Mal wurde in Deutschland der Big-Brother-Award verliehen. Mit dem Anti-Preis wollte die Jury aus Datenschützern und Bürgerinitiativen Firmen und Organisationen auszeichnen, "die in besonderer Weise die Privatsphäre von Menschen nachhaltig beeinträchtigen".

Hauptpreisträger und damit Gewinner der nicht sonderlich begehrten Statue wurde in der Sparte "Business und Finanzen" die Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssysteme, eine 68-prozentige Tochter der Deutschen Lufthansa.

Die Firma gibt die Payback-Karte heraus, die zum Sammeln von Bonuspunkten alle Käufe mitschreibt und aus diesen Daten die Konsumgewohnheiten der Käufer extrahiert. Die Jury monierte besonders das Erschleichen von Einverständniserklärungen zum Datenabgleich, die mit der einfachen Benutzung der Karte abgegeben werden.

In der Kategorie "Politik" ging der Preis nach Berlin. Innensenator Eckhart Werthebach gewann ihn stellvertretend für das Bemühen vieler Bundesländer, die Telefonüberwachung kräftig auszubauen. Berlin investierte dafür drei Millionen Mark und hat 75 Aufzeichnungs- und 55 Auswertungsgeräte im Einsatz. Bis 2003 sollten weitere 4,7 Millionen Mark ausgegeben werden.

Bedienstete des Bundesgrenzschutzes, der Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn AG und der lokalen Polizei bedienen sich der flächendeckenden Videoüberwachung auf deutschen Bahnhöfen. Bereits 42 Stationen sind nach den Recherchen der Jury lückenlos vernetzt. Die privatisierte Bahn AG gewann ihren Preis in der Kategorie "Behörden und Verwaltungen".

Unter der Rubrik "Kommunikation" erwischte es die Firma GMX, die einen so genannten Freemail-Dienst betreibt. Jeder bekommt hier eine eigene Adresse, vorausgesetzt, er gibt ausführlich seine Konsumgewohnheiten an. Entsprechend wird er beim Öffnen des Postkastens mit Werbung versorgt.

GMX erhielt den Preis, weil der Dienst irrtümlicherweise die Postfächer von 118 000 Kunden löschte und als Ziel eines Hacker-Angriffes Namen und Passwörter von 1625 Kunden preisgab.

Einen Preis für das Lebenswerk erhielt das Bundesverwaltungsamt in Köln für sein Ausländerzentralregister (AZR), das alle Daten von zwölf Millionen Ausländern enthält, die in Deutschland leben. Dieses Register existiert seit 1953 und war eine der ersten Datensammlungen, die computerisiert wurden. Jede deutsche Behörde kann im AZR nach Ausländern suchen lassen. Als besonders perfide bewertete die Jury, dass für die Betroffenen nachteilige Behördenentscheidungen gespeichert werden, positive Bescheide und Aufenthaltsbewilligungen hingegen nicht.

Für Aufregung sorgte ein spezieller "Szene-Preis", der an den Pinguin Tux und eine Feder vergeben wurde: Der Schwimmvogel ist Symbol der Linux-Szene, die Feder steht für den Webserver Apache. Apache ist das meist verbreitete Webserver-Programm der Welt. Es bekam den Preis für die Standard-Konfiguration, in der zu viele Details über die Besucher einer Website in eine Besuchsstatistik geschrieben werden. Die Linux-Szene empört dies heftig, denn der Apache hat mit Linux nichts zu tun: Den Web-Server gibt es auch für alle anderen Betriebssysteme. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich und der Schweiz wurde der Award vergeben.

© WWW-Administration, 21 Jan 03