FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
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padeluun und Rena Tangens, FIFF-Kommunikation 3/2000

Big Brother Award

Eine kleine Meldung im Webmagazin TELEPOLIS1 versprach Grosses: "FoeBuD: Wir machen das!"

Big-Brother-Preis bald in Deutschland. FoeBuD [http://www.foebud.org/], der Bielefelder Verein für sozialverträgliche Technikgestaltung, will im nächsten Frühjahr den Big-Brother-Preis nach Deutschland holen. Gegenüber Telepolis kündigte padeluun für den Verein an, die Verleihung in Kooperation mit anderen Organisationen organisieren zu wollen: "Wir machen das!".Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD [http://www.aktiv.org/ DVD/]) sagte eine Beteiligung bereits zu. Eventuell werden sich auch das FlfF-Forum Informatikerinnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung - sowie der CCC der Aktion anschliessen. Erstmals wurde der Preis unter grossem Medienecho vor einem Jahr von der Bürgerrechtsorganisation Privacy International anläßlich des fünfzigsten Jahrestages von George Orwells "1984" an Behörden, Firmen und Projekte verliehen, die "das meiste getan haben, um die Privatsphäre zu verletzen". Im April 1999 wurde er erstmals in den USA, in London der UK Big Brother 1999 und auch in Österreich verliehen."

Immerhin.

Big Brother Award Deutschland

England, Österreich und auch die USA haben es vorgemacht, nun soll es ihn auch in Deutschland geben: Den "Großen Bruder Preis". Jeweils eine Firma, Organisation oder Institution wird oder werden ausgeguckt, die in einer Art mit personenbeziehbaren Daten umgeht, die den legalen, aber illegitimen Gebrauch (auch von dritter Seite) ermöglicht, fördert oder (heraus)fordert. Der Big Brother Award Deutschland soll eine Aufforderung zum öffentlichen Dialog für mehr Technologieakzeptanz sein.

Initiator und Organisator des Big Brother Award Deutschland ist der FoeBuD e.V. in Bielefeld. Es sollen möglichst alle Organisationen, die sich in Deutschland mit der Thematik Datenschutz / Bürgerrechte beschäftigen, einbezogen werden, damit die Fachkompetenz aller dieser Organisationen zusammenfließen kann. Somit ist die Möglichkeit gegeben, dass die Zusammenarbeit über diesen Anlass hinaus Wirkung entfalten kann.

Die Figur aus dem Science Fiction Roman "1984" von George Orwell gab dem Preis, der in Großbritannien seinen Ursprung hat, seinen Namen. Obwohl im Buch Orwells vor allem die Angst vor dem (faschistischen) Überwachungsstaat thematisiert wird und die Datenmacht heute eher in privater Hand liegt, haben wir uns entschlossen - auch wegen der internationalen Zusammenarbeit - den Namen beizubehalten.

Warum einen Big Brother Award?

Datenschutz ist die Voraussetzung dafür, dass neue Technik akzeptiert wird. Der Schutz des Bürgerrechts auf Privatsphäre ist wichtig. Nicht nur der legale Umgang mit Daten, sondern auch der legitime Umgang damit beschäftigt die Menschen. Deutschland hat - sicher auch durch die Erfahrungen mit dem Dritten Reich angespornt - ein anerkannt gutes Datenschutzgesetz. Dennoch existieren viele Lücken und Schlupflöcher; z. B. was den Datenexport in datenverarbeitende Länder ohne Datenschutzgesetz, wie die USA, betrifft. Den Datenschutzbeauftragten fehlen oft die Mittel - und im Bereich der Datenverarbeitung in privaten Firmen - auch die Handhabe, um eingreifen zu dürfen oder zu können.

Datenschutz war lange Jahre ein Thema, das nur wenig Beachtung in der Öffentlichkeit fand. Vielen war die Materie zu komplex - zumal die meisten Menschen keinerlei Erfahrungen mit Datenbanken und deren Verfügbarkeit hatten. Heute, nach der Ausbreitung des Internet und Heimcomputern in fast jedem jungen Haushalt, können viele Menschen ahnen, welche Gefahren das Sammeln und Verknüpfen von Daten in sich birgt. Hier fehlt konkrete Aufklärung. Diffuse Ängste verhindern bisher eine allgemeine Akzeptanz z. B. neuer Bestellwege und wirkt sich sogar als Bremse im von Seifmade-Propheten so geliebten eCommerce aus.

Hier kann der Big Brother Award Deutschland katalysierend wirken: Er spricht Mißstände aus, die sowohl die Industrie, als auch die Verbraucherinnen zum Nachfragen, -denken und -bessern anregen können.

Presse und Medien bekommen Thema, aktuellen Anlaß, Bilder, Töne und Menschen geliefert, die den öffentlichen Diskurs anregen können. So ist zum Beispiel angedacht, einfache und verständliche didaktische Modelle zur Darstellung der Problematik zu erarbeiten und der Presse zur Verfügung zu stellen.

Wie sieht die Verleihung aus?

Die Verleihung wird öffentlich stattfinden. Es ist daran gedacht in einem gehobenen Kulturambiente (Theater) eine Feierstunde abzuhalten. Der Preis selber wird jeweils von unterschiedlichen Künstlerinnen oder Künstlern hergestellt (dieses Jahr von - so die Planung - Peter Sommer). Kultur soll hier als Vermittlerin einer für die Betroffenen unangenehmen Wahrheit dienen. Die Institution, die den Preis gleichzeitig mit der Erklärung der Gründe erhält, wird zur Verleihung Redezeit eingeräumt bekommen. Sie erhält somit nicht nur die Möglichkeit, Stellung zu beziehen, sondern kann auch über Konsequenzen reflektieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Problematik oftmals gar nicht klar ist, und Unternehmen erst durch Dritte auf Missstände und Unschönes hingewiesen werden. Sollte ein Unternehmen, eine Organisation oder sonstige Institution die Redezeit nicht annehmen, ließe sich auch dies in den Medien thematisieren.

Ein Rahmenprogramm mit Kabarett oder einer kurzen Aufführung einer Theatergruppe und eine Musikdarbietung, die das Thema reflektieren, runden das Geschehen ab. Hier bietet sich auch ,Material' für Kameras und Mikrofone, das die Berichterstattung etwas bunter gestalten kann.

Eingeladen werden neben Presse und Medien Honoratioren und Interessierte.

Wir haben bereits Zusagen von Leitmedien, dem Big Brother Award Deutschland große Aufmerksamkeit zu widmen. In Fact: Häufig wird angefragt, wann es denn endlich was Konkretes gäbe. Dazu komme ich weiter unten.

Wie wird entschieden?

Es wird eine Jury aus Mitgliedern der beteiligten Organisationen zusammengestellt. Diese wird über den genauen Ablauf entscheiden. Das bisher angedachte Prozedere stellen wir uns wie folgt vor:


Wie setzt sich die Jury zusammen?

Es ist angedacht, daß verschiedene Organisationen den Big Brother Award Deutschland mittragen und die Jury stellen. Als im letzten Jahr (Herbst 1999) die Medien die Nachricht vom Big Brother Award Deutschland verbreiteten (siehe Anlage), haben sich spontan Menschen und Organisationen zur Mitarbeit bereit erklärt.

Publikumsbeteiligung und -preis

Über die Website www.big-brother-award.de (auch adressierbar unter www.bigbrotheraward.de) können alle, die das wollen, Vorschläge einsenden. Einsendungen sind auch per herkömmlicher Post möglich. Alle in Frage kommenden Vorschläge werden nachrecherchiert. Nichts wird ungeprüft übernommen. Auf der Website können Interessierte ein Votum für den Publikumspreis abgeben. Die Jury selbst soll sich nicht an Popularitäten orientieren.

Termin

Die Verleihung findet am 26.10.2000 statt. Es wird überleget, ob eine Synchronisation mit den Organisationen in Österreich, England und der Schweiz wünschenswert ist. Hierfür wäre der oben genannte Termin unerläßlich. Wir sind in der Termingestaltung nicht ganz frei, da die gewünschte Location (Theater) nicht zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stünde.

Wer ist der Organisator?

Der FoeBuD e.V. wurde 1987 als "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" in Bielefeld gegründet. Bekannt wurde er durch seine politische Vernetzungsarbeit im Zerberus-Netz inklusive der Mitarbeit an der Software; die Erfindung der "Mediencafes"; die Veranstaltungsreihe PUBLIC DOMAIN zu Themen aus Zukunft und Technik, Wissenschaft und Politik, Kunst und Kultur; das Friedensnetzwerk ZaMir, das in den Ländern des kriegsführenden Jugoslawiens aufgebaut wurde sowie das "Promoten" und die Herausgabe der deutschsprachigen Anleitung des Verschlüsselungsprogramms PGP. Mitglieder des FoeBuD berieten die Enquetekommission "Zukunft der Medien" des Deutschen Bundestages und erhielten 1998 den Medienpreis "Sinnformation" der Grünen Bundestagsfraktion.

Aus welchen Töpfen kommen die Finanzmittel?

Im Rahmen der Förderung der Technologieakzeptanz sollen die benötigten Mittel (ca. 170.000 DM) aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums kommen. Jede beteiligte Organisation ist gehalten, sich am Eigenanteil zu beteiligen. Speziell die erste Veranstaltung, die als Pilotprojekt gelten mag, ist aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Denkbar wäre es auch, wenn die Veranstaltung jedes Jahr von einer anderen Organisation ausgeführt werden würde.

Die Realität

Jetzt erst nach der Sommerpause kann mit der Umsetzung richtig begonnen werden. Auch beim FoeBuD sind die Resourcen knapp; nach wie vor ist ernsthafte politische Arbeit, die neben dem Mainstream läuft, schwierig und bedarf des Verständnisses vieler, die mit eingebunden sind. Der oben genannte Etat ist für dieses Jahr nicht vorhanden. Er wird auch nicht durch Zusammenlegen von Geld der beteiligten Organisationen zusammen zu bringen sein. Auf diese Art ist es evtl. möglich, einen Teil der reinen Sachkosten abzufedern. Und bis dahin muss mit den Resourcen gearbeitet werden, die eben vorhanden sind.

Hoffen wir mal, daß die kleinen vorhandenen Etats nicht nur für Spiel+Spaß draufgehen, sondern auch noch ernsthaft und trotzdem nicht langweilige politische Arbeit möglich ist.

© WWW-Administration, 21 Jan 03