Wie Big Brother dem Kunden in den Geldbeutel schaut

Datenschützer bedenken Payback-Karte mit einer zweifelhaften Auszeichnung / "Äußerst gefährliche Struktur"

Von Jenny Niederstadt

Diese Blamage hätte es mit Omas Markenheftchen nicht gegeben: Der Rabattkarten-Anbieter Loyalty Partner ist mit dem peinlichen Big Brother Award ausgezeichnet worden. Der Herausgeber der so genannten Payback-Karte hat als erstes deutsches Unternehmen den Preis verpasst bekommen, den Datenschützer künftig jährlich Firmen und Organisationen verleihen wollen, die sich "in besonderer Weise um die Verletzung der Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern ,verdient'" machen.

Die Negativ-Auszeichnung könnte der rasanten Entwicklung der Gesellschaft den ersten Dämpfer versetzen: Kurz nach der zweifelhaften Ehrung meldeten sich erste verunsicherte Kunden in der Telefonzentrale des Münchner Unternehmens. Denn in ihrer Laudatio hatte die Big-Brother-Jury kritisiert: "Payback kommt als Rabattmarke daher, dient aber einzig dazu, personalisierte Daten zum Kaufverhalten von Tausenden von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewinnen und kommerziell zu nutzen, ohne dass diese darüber informiert werden."

Die Juroren beanstanden vor allem, dass Loyalty eine "Unmenge persönlicher Daten" erhebe, die für eine Rabattgewährung nicht nötig sei, sehr wohl aber für die Erstellung von Kundenprofilen genutzt werden könnte. So werde eine "äußerst gefährliche Struktur" aufgebaut, urteilt die Sprecherin der Jury, Rena Tangens in ihrer Laudatio.

Gleichwohl, räumt Tangens ein, handle es sich um keinen "spektakulären Fall". Brisant werde das Payback-System aber durch seine weite Verbreitung. Fünf Millionen Deutsche sammeln bereits Payback-Punkte, zwölf Millionen sollen es nach Loyalty-Plänen werden. Jetzt, acht Monate nach Markteinführung der Karte, sei es höchste Zeit, die Leute darüber aufzuklären, wozu die auf der Karte gespeicherten Daten verwendet werden.

Die Payback-Masche ist eigentlich ganz altmodisch: Wer bei den beteiligten 23 Unternehmen (zum Beispiel dem Handelsriesen Metro, der Tankstellenkette Dea und dem Kinobetreiber Ufa) einkauft oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, erhält einen Preisabschlag von einem bis drei Prozent. Wurde dieser bei frühereren Rabatt-Systemen in Form von bunten Marken ausgegeben, wird er heute elektronisch gutgeschrieben. Auf der Payback-Karte geschieht das in Form von Punkten: Ein Punkt entspricht einem Cent, also rund zwei Pfennig. Wer 1500 Punkte gesammelt hat, kann sich den Gegenwert (knapp 30 Mark) bar auszahlen lassen. Soweit der Vorteil aus Verbrauchersicht.

Doch auch die beteiligten Unternehmen ziehen ihren Nutzen daraus. Denn mit den gespeicherten Daten können sie detaillierte Konsumprofile erstellen. Etwa: Welche Aktien besitzt der typische Mallorca-Urlauber? Welche Hobbys haben Frauen, die online Bücher kaufen? Informationen über Familienstand, Einkommen und private Interessen geben Payback-Kunden bereits bei der Anmeldung preis - freiwillig wie die Münchner betonen. Sobald die Scanner an einer der 16 000 Akzeptanzstellen die blaue Plastikkarte registrieren, werden weitere Vorlieben des Besitzers offenbar.

Mit diesen Daten können die Firmen ihr Angebot genauer auf die Kunden ausrichten - und das bringt handfeste Wettbewerbsvorteile. Bis zu acht Mark kostet im internationalen Adresshandel deshalb ein aussagekräftiges Kundenprofil. Das Data-Mining, wie dieses "Schürfen" nach Profilen genannt wird, gilt als eine der Wachstumsbranchen.

Auch Loyalty will damit Geld verdienen. Die 67-prozentige Lufthansa-Tochter sieht sich von den Jury-Vorwürfen deshalb nicht getroffen. "Wie haben nie bestritten, dass wir Kundenprofile erstellen", sagt Sprecher Martin Rogler, "immerhin bezahlen unsere Partner genau dafür." Allerdings gebe Loyalty keine personalisierten Daten weiter, sondern nur anonymisierte. Bei der Anmeldung würden Neukunden außerdem ausdrücklich auf die Auswertung hingewiesen.

Das Big-Brother-Gremium bezweifelt dennoch, dass der Payback-Gemeinde klar ist, inwieweit ihre Konsumgewohnheiten erfasst und ausgewertet werden. "Mehr Ehrlichkeit" fordert Rena Tangens. Ein erster Schritt wäre zum Beispiel, die Geschäftsbedingungen auf dem Anmeldeformular größer zu drucken.

Ohnehin sei es nicht Ziel der Auszeichnung, Unternehmen "vorzuführen". "In erster Linie wollen wir eine gesellschaftliche Debatte über Lücken im Datenschutz anstoßen." In diesem Punkt sind sich Auslober und Prämierte sogar einig: Auch Loyalty-Sprecher Rogler beurteilt die Vergabe des neuen Preises "grundsätzlich positiv". So könnten bislang unbemerkte Schwachstellen erkannt werden. Laudatorin Tangens hofft: "Der Preis wird die Selbstkontrolle der Wirtschaft stärken." Im kommenden Jahr soll deshalb ein Industrievertreter im Gremium sitzen.

Frankfurter Rundschau, 2. Novemvber 2000