Datenschutz

Bundesrat als Big Brother »geehrt«

Kritik am Missbrauch von Technik und Information

Mit der Verleihung der »BigBrother Awards« 2002 hat gestern in Bielefeld die gleichnamige Initiative auf den missbräuchlichen Gebrauch von Technik und Information hingewiesen. Der »Negativ-Preis für Datenkraken« ging zum dritten Mal an Firmen und Institutionen, die nach Auffassung der Jury die Privatsphäre der Bürger verletzen.

Berlin (ND-Strohschneider). Wer denkt bei Big Brother heutzutage nicht an eine denkwürdige Form des TV- Exhibitionismus. Das inzwischen auch jenseits der Containerwelt um Einschaltquoten ringende Reality- Konzept hat mit der gestrigen Vergabe des gleichnamigen Preises im westfälischen Bielefeld indes wenig zu tun. Denn der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V., kurz: FoeBuD, hat sich bei der Namenssuche statt an das Fernseh-Plagiat an George Orwell gehalten _ also an das kritische Original.

Der englische Autor hatte in »1984« bereits Ende der vierziger Jahre die Vision einer zukünftigen Gesellschaft entworfen, die einer totalen Überwachung unterstand. Aus der Fiktion ist inzwischen _ zumindest ein Stück weit _ Realität geworden. Mit den BigBrother Awards, die in acht verschiedenen Kategorien verliehen werden, solle, so die FoeBuD, deshalb »das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich und allgemein verständlich« werden.

Auf der diesjährigen Preis-Liste steht so unter anderem der Pharma-Riese Bayer AG. Das Unternehmen habe sich durch die »demütigende Praxis, Auszubildende vor der Einstellung einem so genannten Drogentest zu unterziehen« für die Negativ-Ehrung qualifiziert, hieß es in der Laudatio. Ins Visier der Jury, der neben dem FoeBuD der Chaos Computer Club, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, der Rechtsanwalt und Autor Rolf Gössner, der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung sowie _ erstmalig _ die Humanistische Union, angehören, gerieten auch die Deutsche Post AG für den »datenschutzwidrigen Umgang mit Daten aus den Post-Nachsendeanträgen« und die Toll Collect GmbH. Das Unternehmen macht mit der satellitengestützten Erhebung der Bewegungsdaten von Kraftfahrzeugen Geschäfte.

Für die Einführung von so genannten Präventivdateien zur Erfassung von »Gewalttätern« ging der BigBrother Award 2002 zudem an das Bundeskriminalamt. Tausende Menschen seien durch die Sammelwut der Behörde bereits erfasst, »obwohl viele von ihnen noch nie als gewalttätig aufgefallen sind«. Weitere »Ehrungen« im Bereich Politik erhielten der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens, der hessische Innenminister Volker Bouffier sowie der Bundesrat. Die Länderkammer hatte beschlossen, Telekommunikationsanbieter zu verpflichten, die Verbindungsdaten von Nutzern ohne zeitliche Beschränkung auf Vorrat zu speichern. Einen BigBrother Award für das »Lebenswerk« und damit der Hauptpreis ging an den deutschen Ableger des Software-Giganten Microsoft.

Neues Deutschland,
Original: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=25592&IDC=2