Big Brother ist überall

Der Bielefelder Verein "Foebud" stellt Firmen, Behörden und Organisationen an den Prangern die Personendaten missbrauchen: Die Kritisierten bekommen einen unbegehrten Preis.

BIELEFELD. Bei Damen gilt die Frage als unerhört. Aber wer im Internet einkauft, kommt um die Antwort kaum herum: Fast alle Firmen fragen Kunden nach dem Alter. Für Rena Tangens, Vorsitzende des Bielefelder Datenschutzvereins "Foebud", ist das "eine Verletzung der Privatsphäre." Mit dem eigens kreierten "Big Brother Award" will der Verein Firmen, Behörden und Organisationen an den Pranger stellen, die Kunden unstatthaft in die Daten schauen.

"So eine Auszeichnung sehen Unternehmen nicht gern", hat Tangens zur Premiere im vergangenen Jahr erfahren: "Der Sieger hat den Preis trotz Einladung bis heute nicht abgeholt", berichtet die Bielefelderin, deren Verein mit vollem Namen der "Förderung des öffentlichen, bewegten und unbewegten Datenverkehrs" dient.

Sieben Preisträger haben die Datenschützer im vergangenen Jahr ´belohnt´, von einer externen Jury ausgewählt aus etwa 80 Zuschriften: darunter die Bahn AG, der E-Mail-Provider GMX und die Stadtwerke Bielefeld. Sieger war das Karten-System "Payback". "Das kommt als Rabatt-Karte daher", erklärt Tangens: "Aber tatsächlich dient es dazu, persönliche Kundendaten zu sammeln, die in der Wirtschaft weitergegeben werden können." Elf Millionen Kunden hat Payback laut Tangens mittlerweile, wobei Daten im Marketing-Business allgemein mit 500 Dollar je Person bewertet werden. Tangens. "Da wachsen Begehrlichkeiten".

Das weitere Problem: Mit jedem "Payback"-Einkauf kann der Karten-Einsatz kassenbon-genau verfolgt und ein persönliches Kundenprofil erstellt werden. Doch Tangens kritisiert auch Kunden: "Viele geben zu leichtfertig Privates preis."

Seit 1987 gibt es den Bielefelder Verein. Er hat bisher bundesweit 80 Mitglieder und ist hervorgegangen aus einer Galerie für Avantgarde-Kunst. Die hat Rena Tangens im Orwell-Jahr 1984 mit dem Berliner Netzkünster padeluun gegründet. Dort hatten die beiden auch die Hamburger Hacker-Vereinigung "Chaos Computer Club" als Kunstereignis präsentiert, berichtet padeluun: "Dabei haben wir gemerkt, welches Potential an Beeinflussung in Computer-Systemen steckt."

Mit dem "Big Brother"-Preis schließt sich Foebud jetzt einem internationalen Netz von Datensheriffs an, die bisher in Großbritannien, den USA, Österreich und der Schweiz aktiv sind. Auch in Ungarn und Frankreich gibt´s die Negativ-Auszeichnung nun.

Bis 15. September kann jeder Vorschläge bei Foebud einreichen. Am 26. Oktober steht die Preisverleihung an. Etwa 40 Hinweise hat Tangens bereits vorliegen. Darunter auch auf den Kölner "RTL Club": "Da wird auch ungeniert nach dem Geburtsdatum gefragt", warnt Tangens. Was mit den Daten passiert, könnten Club-Mitglieder aber nicht verfolgen. Tangens: "Die ködern die Leute damit, dass man so immer sein aktuelles Tageshoroskop genannt bekommt." (NRZ)

Neue Ruhr/Rhein Zeitung, 17. Juli 2001