AUSZEICHNUNG / Bundesinnenminister Otto Schily bekam gestern den "Big Brother Award": Ein Preis, der kein Lob ist. BIELEFELD. Er steht im Kreuzfeuer von Polizei, Richterbund und Bundesanwaltskammer, er wird von Bürgerrechtlern angeworfen und von Verfassungsschützern kritisiert - und gestern Abend hat Bundesinnenminister Otto Schily für seine Vorhaben zur Terror-Bekämpfung auch noch einen Preis bekommen.
Abholen mochte sich Schily den "Big Brother Award", eine Skulptur des Bielefelder Datenschutzvereins Foebud aber nicht... "So eine Auszeichnung sieht man eben nicht gern", sagt Big Brother-Mit-Initiatorin Rena Tangens und ist keineswegs enttäuscht. Denn der Verein, der sich der "Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs" verschrieben hat, will an den Pranger stellen, was Menschen "durchsichtig" macht. Fünf Firmen und ein Schulprojekt hat eine Jury aus Computer- und Datenschutz-Fachleuten ausgewählt. "Schily war klarer Sieger, schon vor dem 11. September", erklärt Tangens: Weil er sich, so die Laudatio, "dauerhaft für neue Ermittlungsbefugnisse der Polizei einsetzt, weil er Datenschutz als Täterschutz diffamiere und" unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung für den Abbau von Bürgerrechten eintritt.
Auch die Pforzheimer Unternehmensberatung "Informa" ist preiswürdig. Tangens: "Die Firma prüft, wie zahlungskräftig Menschen sind." Scoring heißt das Verfahren, das zum Beispiel beim Internet-Einkauf automatisch und sekundenschnell abläuft, "ohne dass man es erfährt". Solche Unternehmen würden sogar das Wohnumfeld von Kunden kennen: "Wer etwa in einem Haus mit Graffiti wohnt, bekommt einen geringeren Scoring-Wert", sagt Tangens. "Bei einem Einkauf darf man dann zum Beispiel nicht mehr per Rechnung zahlen." Das schlimmste sei allerdings, dass man als Kunde seinen Scoring-Wert nicht kenne und auch bei Nachfrage nicht erfahre.
Auch das weit verbreitete Internet-Programm "Real Player", mit dem man Musik im Netz hören kann, gibt verdeckt Daten weiter. "Es verrät viel über die Seh- und Hörgewohnheiten der Benutzer", sagt Tangens. "Wir wollen vor fatalen Entwicklungen warnen und für ein Bewusstsein für das Grundrecht auf Privatheit werben", erklärt Tangens das Ziel des Vereins.
Der hatte mit der Preis-Premiere im vergangenen Jahr schon etwa bewirkt. Da bemängelte die Jury Sicherheitsmängel beim Rabattkarten-Unternehmen "Payback". So konnte man beim Internet-Antrag nicht ablehnen, dass die Daten auch fürs Marketing verwendet werden. Nachdem auch Verbraucherverbände klagten, habe Payback laut Tangens den Datenschutz verbessert. "Die wollten damals auch den Preis abholen. Aber dann ist von denen doch keiner gekommen." (NRZ) DAGOBERT ERNST
Neue Ruhr/Rhein Zeitung, 27. Oktober 2001