VON ANKE GROENEWOLD
Bielefeld. Der Bielefelder Computerclub FoeBuD wird im Frühjahr 2000 den ersten deutschen "Big Brother Award" vergeben."Wir machen das", bestätigte der Künstler padeluun dieser Zeitung. Den "Großer Bruder Preis" bekommen private und öffentliche Organisationen, die in die Privatsphäre der Bürger eingreifen und die Demokratie gefährden.
Initiator des Negativ-Preises ist Simon Davies, Leiter der Bürgerrechtsorganisation Privacy International. Sie wurde 1990 gegründet, um Regierungen und Firmen auf die Finger zu schauen. Privacy International hat ihren Sitz in London und klärt über Eingriffe in die Privatsphäre auf, zum Beispiel durch das Anzapfen von Telefonen, Videoüberwachung oder Handel mit persönlichen Daten.
Privacy International hat den Brother Award erstmals 1998 zum 50. Jahrestag von George Orwells Roman "1984" vergeben, der den totalen Überwachungsstaat beschreibt. Im April dieses Jahres wurde er erstmals in den USA verliehen. Bei den Briten war 1998 und 1999 das Innenministerium unangefochtener Sieger. Es hat das grüne Licht für weitreichende Lauschangriffe auf Bürger und eine dichte Kameraüberwachung in öffentlichen Räumen gegeben. Natürlich sind die Preisträger nicht besonders erpicht darauf, die Trophäen in Empfang zu nehmen - in England ist es die Skulptur eines Schuhs, der einen Kopf tritt.
Sinn der mit viel Medienrummel inszenierten Zeremonie ist es vielmehr, die Öffentlichkeit zu alarmieren und aufzuklären, wie Regierungen und Firmen persönliche Daten sammeln und missbrauchen. Nachdem vor wenigen Tagen die ersten österreichischen Trophäen verteilt wurden, ist es Zeit, den deutschen "Großen Brüdern" auf die Finger zu klopfen, findet padeluun.
Der Bielefelder Verein FoeBuD ("Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs") will andere Gruppen ins Boot holen. Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD), hat seine Unterstützung bereits zugesagt. FoeBuD wird die organisatorische Federführung übernehmen. Noch steht nicht fest, wer für den Preis nominiert wird. "Wir wollen nicht so Dummes machen wie Microsoft wählen, die schon hundertmal als böse bezeichnet wurden", so padeluun. "Wir wollen etwas aussuchen, was die Leute wirklich zum Nachdenken bringt." Ihm liege auch stark daran, einen Publikumspreis zu verleihen. Auch die Öffentlichkeit soll die Feinde ihrer persönlichen Freiheit küren dürfen.
Mehr zum Thema im lnternet: www.privacy.org/pi www.foebud.org
Neue Westfälische, 06. November 1999