Negativpreis geht an Landesregierungen, Post, Metro und GEZ

BIG BROTHER Datenschutzaktivisten kritisieren Eingriffe in Privatsphäre der Menschen

Bielefeld/dpa - Den Negativ-Preis "Big Brother Award" für bedenkliche Eingriffe in die Privatsphäre der Bundesbürger haben Datenschutz-Aktivisten an namhafte deutsche Unternehmen und öffentliche Institutionen verliehen. Der Award für dieses Jahr geht unter anderem an die Deutsche Post, die Handelsgruppe Metro und den Internetanbieter T-Online. Auch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) und die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sowie der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wurden am Freitag in Bielefeld für ihren Umgang mit vertraulichen Angaben kritisiert. Der Big Brother Award wird von verschiedenen Organisationen in 17 Ländern verliehen.

Nach Angaben der Jury habe etwa die Deutsche Post AG ihre Aushilfskräfte in Postagenturen vertraglich verpflichtet, bei mehr als zwei Wochen Krankheit einen vorbestimmten Arzt aufzusuchen und von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Metro-Gruppe teste seit April 2003 im Experimental-Supermarkt "Future Store" in Rheinberg bei Duisburg eine neue Chip-Technologie, die in der Zukunft das Bezahlen mit Bargeld ersetzen soll. Diese Technik sei zwar praktisch, ermögliche aber auch die Identifizierung der Kunden und berge damit sehr große Risiken für die Privatsphäre der Verbraucher in sich.

T-Online wurde für das Speichern von IP-Adressen ihrer Kunden mit dem so genannten Flatrate-Tarif gerügt. Die anonyme Nutzung des Internets werde damit völlig untergraben. Polizei und Geheimdienste hätten Zugriff zu diesen persönlichen Angaben. T-Online sei nicht der einzige Internet-Anbieter, der so vorgehe, sollte aber nach Ansicht der Juroren mit gutem Beispiel vorangehen. T-Online wies die Kritik zurück und betonte, die Daten würden rechtskonform und branchenüblich für Rechnungsfragen und Virenprobleme befristet gespeichert.

Die GEZ wurde "für deren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung Schwarzseherinnen und Schwarzhörern" mit dem Preis versehen. "Die GEZ und die Gebührenbeauftragten der Rundfunkanstalten sammeln in einem Übermaß Daten, dringen unter Überrumpelung von Menschen in deren Wohnung ein und nötigen die Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Offenbarung der eigenen Daten". Behörden und Adresshändler unterstützten die Suche.

Die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen bekamen den Negativ-Preis, weil sie "im Windschatten der Terrorismusbekämpfung" die Landespolizeigesetze drastisch verschärfen würden und damit in elemantare Grundrechte eingriffen. Bedroht seien das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf freie Kommunikation ohne Angst vor Repressalien.

Auch Berlins Innensenator Körting bekam den Preis verliehen. Dabei geht es um den polizeilichen Einsatz von "stillen SMS". Diese Handy-Kurznachrichten erlauben nach den Angaben der Jury die Ortung von Verdächtigen mittels einer Handy-Kurznachricht, ohne dass der Betroffene bemerkt, dass sein Telefon Signale empfängt und sendet.

Auch die US-Regierung wurde von den Datenschützern mit Hilfe der Auszeichnung kritisiert. Dabei prangerten die Organisatoren an, dass deutsche Fluglinien auf Druck der USA diversen amerikanischen Behörden Zugriff auf umfangreiche Buchungsdaten von Passagieren geben müssten, die in die Vereinigten Staaten einreisen wollen.

In der deutschen "Big Brother Award"-Jury sind verschiedene Gruppen vertreten, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), der Chaos Computer Club (CCC) und die Internationale Liga für Menschenrechte. Ausrichter ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Bielefeld).

Nordwest-Zeitung, 25. Oktober 2003
Original: http://www.nwz-online.de/2_449.php?imgaddi=&showid=216396&navpoint=2