Ein Award mit fadem Beigeschmack

"Big Brother"-Negativpreis geht an Regierungen und namhafte Unternehmen

dpa
Den Negativ-Preis ?Big Brother Award? für bedenkliche Eingriffe in die Privatsphäre der Bundesbürger haben namhafte deutsche Unternehmen sowie öffentliche Institutionen erhalten.

In der deutschen ?Big Brother Award?-Jury sind verschiedene Gruppen vertreten, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), der Chaos Computer Club (CCC) und die Internationale Liga für Menschenrechte. Ausrichter ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Bielefeld).

Der Award für dieses Jahr geht unter anderem an die Deutsche Post und den Internetanbieter T-Online. Auch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) und die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz und Thüringen wurden am Freitag in Bielefeld für ihren Umgang mit vertraulichen Angaben kritisiert. Der Big Brother Award wird von verschiedenen Organisationen in 17 Ländern verliehen.

So hat etwa die Deutsche Post AG nach Angaben der Jury ihre Aushilfskräfte in Postagenturen vertraglich verpflichtet, bei mehr als zwei Wochen Krankheit einen vorbestimmten Arzt aufzusuchen und von der Schweigepflicht zu entbinden.

T-Online wurde für das Speichern von Verbindungsdaten (IP-Adressen) ihrer Kunden mit dem so genannten Flatrate-Tarif gerügt. Die anonyme Nutzung des Internets werde damit völlig untergraben. Polizei und Geheimdienste hätten Zugriff zu diesen persönlichen Angaben. T-Online sei nicht der einzige Internet-Anbieter, der so vorgehe, sollte aber nach Ansicht der Juroren mit gutem Beispiel vorangehen. T-Online wies die Kritik zurück und betonte, die Daten würden rechtskonform und branchenüblich für Rechnungsfragen und Virenprobleme befristet gespeichert.

Die GEZ bekam ?für deren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung von Schwarzseherinnen und Schwarzhörern? den Preis. ?Die GEZ und die Gebührenbeauftragten der Rundfunkanstalten sammeln in einem Übermaß Daten, dringen unter Überrumpelung von Menschen in deren Wohnung ein und nötigen die Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Offenbarung der eigenen Daten?.

Die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen erhielten den Negativ-Preis, weil sie ?im Windschatten der Terrorismusbekämpfung? die Landespolizeigesetze drastisch verschärfen würden und damit in elementare Grundrechte eingriffen. Bedroht seien das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf freie Kommunikation ohne Angst vor Repressalien.

Sächsische Zeitung, 24. Oktober 2003
Original: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=537082