DER PREIS, DEN NIEMAND WILL

Big Brother blickt auf Bielefeld

... und zwar mit Bangen: Zum dritten Mal verleiht der Bielefelder Verein FoeBuD heute den "Negativ-Preis für Daten-Kraken". Der Big-Brother- Award mag peinlich sein, er hat sich aber auch etabliert: Manche "Ausgezeichnete" wollen ihren Preis sogar selbst in Empfang nehmen.

Auf Otto Schily, den prominentesten Preisträgerdes letzten Jahres, wartete man noch vergeblich - das hatte er mit bisher allen Preisträgern gemein. In diesem Jahr jedoch gibt es da tatsächlich schon Zusagen: Zumindest ein Hauptpreisträger hat sein Kommen tapfer angesagt, andere sind sich noch nicht ganz sicher. So was will gut überlegt sein: Neben Lachern sind Pfiffe garantiert - vielleicht aber auch Achtungsapplaus für die Tapferen?

Der Big-Brother-Award, in Deutschland vom Bielefelder Verein FoeBuD verliehen, ist auf dem besten Wege, zum international beachteten Negativ- Oscar für "Daten-Kraken" zu werden: Insgesamt wird die unbeliebte Trophäe mittlerweile in vierzehn Ländern in aller Welt vergeben.

Beginn: 16 Uhr, Murnau-Saal, Bielefeld

Da ist Stimmung garantiert: Ab 16 Uhr geht es los im Murnau-Saal der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld. Unter dem Motto "Nicht lamentieren - nominieren" hatten zahlreiche Einsender insgesamt rund 60 Kandidaten vorgeschlagen, aus der die Jury in schwerer Wahl die acht schlimmsten Datensünder des Jahres auswählte. Die dürfen sich heute Abend über eine Trophäe ärgern, die wohl nur in seltenen Fällen in einer Vitrine landen wird: Zu effektiv demaskiert der Preis vermeintlich wohlmeinende Dienstleistungen, Handlungen und Entscheidungen - wie das Beispiel der im Jahr 2000 ausgezeichneten Payback-Karte anschaulich zeigte.

In dem Fall blieb die Preisverleihung nicht ohne Konsequenzen. Die Auszeichnung von Payback als fleißigem Sammler sensitiver Daten mündete in eine Klage des Verbraucherschutzvereines gegen die Betreiber, die vor Gericht dann, so Rena Tangens von FoeBuD, "auf ganzer Linie unterlagen".

Ungeliebte Trophäe: Normalerweise wird die Statuette nach der Veranstaltung per Post versandt Das liegt vor allem daran, dass der Big-Brother- Award zwar eine spaßige Sache sein mag, durchaus aber kein Entertainment ist: Dahinter stecken gründliche Recherchen von Datenexperten, denen es immer wieder gelingt, versteckte Strukturen aufzudecken und transparent zu machen.

Auch in diesem Jahr wird es Preise von "Arbeitswelt" über "Politik" bis hin zu "Verbraucherschutz" geben.

Der Big Brother Award

FoeBuD will mit den jährlichen Big-Brother-Awards auf den missbräuchlichen Gebrauch von Technik und Informationen hinweisen. Der Jury gehörten in diesem Jahr neben dem FoeBuD der Chaos Computer Club, FITUG, FifF, Rolf Gössner und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz an. Durch die Big Brother Awards soll das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich und allgemein verständlich werden.

Der Eintritt zur Preisverleihung ist im übrigen frei: Alle Details zu Anfahrt und Veranstaltung sind der Website der Awards zu entnehmen.

Spiegel Online, 25. Oktober 2002
Original: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,219772,00.html