Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist gestern für "bedenkliche Eingriffe in die Privatsphäre" mit dem Datenschutz-Negativ-Preis "Big Brother Award" ausgezeichnet worden. Der Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen und unbewegten Datenverkehrs" kritisiert damit die Praxis der Berliner Polizei, verdeckte SMS zu verschicken, um den Aufenthaltsort von Verdächtigen zu ermitteln.
Wer erwartet hat, das sich der Innensenator darüber erregt, der irrt - und zwar gewaltig. Körting begrüßte die Preisvergabe sogar, "weil ich die Gelegenheit nutzen kann, meine Position, die ich für richtig halte, Ihnen zu vermitteln". Da er aus "Termingründen" leider nicht persönlich erscheinen konnte, tat er dies per Pressemitteilung.
Die Kritik, heißt es in der Erklärung, sei "nicht zutreffend". Die SMS-Methode sei nämlich im Rahmen des Paragrafen 100a der Strafprozessordnung legal. Darin ist die Rede von Mord, Hochverrat und schwerem Bandendiebstahl - nicht eben Bagatellen. Zudem werde die betreffende Person durch die "bloße Ermittlung des Standortes" in ihrer Privatsphäre "praktisch überhaupt nicht beeinträchtigt", findet der SMS-Senator. Grundsätzlich halte er es aber für wichtig, dass immer wieder die Frage gestellt werde, "ob Staat zu stark in private Bereiche eingreift". Nur hier sei das eben nicht Fall, so Körting.
Der Berliner Landesbeauftragte für den Datenschutz, Hansjürgen Garstka lehnt Negativauszeichnungen ab, sagte er gestern. Diese Vorgehensweise sei "nicht sonderlich konstruktiv". Trotzdem habe auch er Einwände gegen die Form der stillen SMS-Fahndung. Sie sei "nicht unbedingt vornehm", aber leider gäbe es dafür eine gültige Rechtsgrundlage. Die stichprobenartig ausgesuchten Fälle seien juristisch nicht zu beanstanden gewesen, es habe immer eine richterliche Anordnung gegeben.
Die SMS-Fahndung war im Juni in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass die Polizei diese Methode bereits in fast 100 Fällen angewandt hatte. Die Ermittler versenden dabei eine für den Empfänger nicht lesbare SMS. Dadurch wird eine kurzzeitige Verbindung zum nächsten so genannten Base Station Subsystem hergestellt - wie bei einem normalen Gespräch. Konkret: Die Ermittler wissen dann, in der Nähe welches Sendemasten sich der Verdächtige herumtreibt. Im Standby-Betrieb kann der Mobilfunkbetreiber dagegen lediglich erkennen, in welcher "Local Area" sich der Verdächtige befindet. Das ist natürlich unkonkreter. " JAN ROSENKRANZ
tageszeitung, 25. Oktober 2003
Original: http://www.taz.de/pt/2003/10/25/a0248.nf/text