Am Freitag verleiht der Bielefelder Datenschutzverein Foebud zum dritten Mal die deutschen Big-Brother-Awards. Viel Aufmerksamkeit haben diese _Negativ- Preise für Datenkraken_ genannten Auszeichnungen in den vergangenen Jahren bekommen. Das Problem ist nicht das Sammeln von Informationen, sondern ihre Auswertung.
_Die Technologie hat sich schneller entwickelt als die Gesetze zu ihrer Regulierung_, stellte die Unternehmensberatung Baker & McKenzie in einem Bericht über Data-Mining-Technologien fest. Für diesen Begriff begeistern sich IT- Experten. Als ähnlich sexy gilt _Customer Relationship Management_ (CRM). Dahinter steckt das Anliegen, mehr über Kunden zu erfahren. Das US- Baseballteam Seattle Mariners führte im vergangenen Jahr eine Treuekarte und eine CRM-Software ein. Kunden mit Sitzplatzabo, die sich über den Geruch der Knoblauch-Pommesfrites beschwert hatten, wurde ein neuer Platz angeboten _ neben Personen, die nie die stinkenden Fritten gekauft hatten.
Eine bedenklichere Anwendung präsentierte das Stinnes-Tochterunternehmen Logware auf der Cebit: Mit dem Programm _Lord_ sollen Einzelhändler aufspüren, welcher Angestellte an der Kasse unterschlägt. Alle Vorgänge wie Mitarbeiterkauf, Korrektur, Umtausch, Storno, Rückgabe, Öffnung der Kassenschublade werden an eine Datenbank übermittelt und zu _Kassierprofilen_ verdichtet. Wer von diesen abweicht, macht sich verdächtig. Die Ketten Edeka, Kaufhof und Toom setzen _Lord_ bereits ein.
Data-Mining-Programme beurteilen nicht nur, wer ein potenzieller Dieb ist, sie geben auch Prognosen über die Wahlentscheidung ab. Ein solches Programm setzte vor der Bundestagswahl die Kölner CDU ein. Dem WDR-Magazin _Monitor_ zufolge hat die Partei das Programm mit persönlichen Daten von 176 000 Personen gefüttert. Über Kriterien wie Familienstand oder Beruf wurde dann die Wahrscheinlichkeit der CDU-Wahl errechnet. So warb die Partei gezielter Wähler. Das bestätigte der Kölner CDU-Vorsitzende Richard Bölmer. Allerdings sei die Speicherung nicht illegal _ die Daten stammten aus öffentlichen Quellen.
Konrad Lischka
Tagesspiegel, 23. Oktober 2002
Original: http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/23.10.2002/270347.asp