Der "Award" gehört dem Veranstalter

Die Methode ist es, die eine an sich gute Sache schnell in ein schlechtes Licht rücken kann. Da gibt es in Bielefeld den "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", kurz FoeBuD, Der hat im vergangenen Jahr den "BigBrotherAward" ins Leben gerufen, um, Zitat: "die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern". Damit sollen, heißt es weiter, "missbräuchliche Nutzungen von Technik und Informationen und bedenkliche Entwicklungen aufgezeigt" werden. Hört sich gut und respektabel an, Der "BigBrotherAward" ist somit ein Negativ-"Preis", seine "Preisträger" werden öffentlich kritisiert, Missbräuche im sensiblen Datenbereich werden somit aufgezeigt.

Doch nachdenklich muss man werden, wenn man erfährt, wie dieser Verein arbeitet. Da flattert dem Informatiklehrer an der Hans-Ehrenberg-Schule mit Datum vorn 17. Oktober ein Schreiben ins Haus, in dem ihm mitgeteilt wird, das von ihm mitentwickelte "School-Card-Projekt" sei für einen BigBrotherAward norniniert. Preisvergabe: 26. Oktober. Begründung: Das School Card-Projekt vereine in vielerlei Hinsicht Trends im Bereich Abbau der Privatsphäre.

Angeprangert wird die "durchaus umstrittene Authentifizierung mittels Biometrie" - in diesem Fall per Fingerabdruck - und die Zahlungsmethode per Karte, die dem "weitaus anonymeren Bargeld vorgezogen werde. Zuvor hatte es keinen Kontakt zwischen FoeBuD und den Machern des Projekts gegeben. Und niemand aus diesem Verein hatte warnend seine Stimme erhoben, als über das School-Card-Projekt nicht nur in der Bielefelder Presse mehrfach und umfänglich berichtet wurde. Nicht, als das WESTFALEN-BLATT vor knapp zwei Jahren exklusiv über die ersten Planungen zu diesem Projekt berichtete, nicht, als es in diesem Jahr groß vorgestellt wurde, nicht, als es zum Schuljahresbeginn in der Hans-Ehrenberg-Schule ans Netz ging. Der Verein als selbsternannter Hüter des Datenschutzes schwieg.

"Sie können Ihre Position beim Sektempfang erläutern"

Nahm auch keinen Kontakt zu den Initiatoren auf, gab den "Angeklagten" 'keine Chance, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Etwa, dass man sich sehr wohl 'der Problernatik des Datenschutzes und Missbrauches bewusst war, dass man mit Datenschutzbeauftragten sprach, deren Bedenken in die Projektumsetzung mit einbezog. Dass mitnichten im Unterricht - wie FoeBuD behauptet - der "Abbau der Privatheit zusätzlich als Wissen vermittelt" wird. Dafür gibt sich FoeBuD bei der Preisvergabe großzügig. Der "Preisträger" wird gebeten, n a c h der Preisvergabe und ihrer ausführlichen Begründung, seinen Standpunkt zu vertreten. Zitat: "Sowohl im informellen G e spräch mit den zahlreichen Pressevertretern beim Sekternpf ang als auch... öffentlich, auf dem Podium." Um dann großherzig anzuführen, dass die Teilnahme an der Veranstaltung natürlich kostenlos sei.

Ein Verfahren, das so gar nicht mit den Zielen des Vereins und des BigBrotherAwards in Einklang zu bringen ist. Zumal von der Jury noch schlampig recherchiert wurde. Dass beispielsweise die Initiatoren des Projekts - der Informatiklehrer und drei Schüler, von denen zwei inzwischen ihr Abitur abgelegt und die Schule verlassen haben - vom Focus-Magazin im Rahmen eines bundesWeiten Wettbewerbs vor einigen Wochen mit einem Preis ausgezeichnet wurden - insgesamt fünf wurden nur vergeben - ist dem Hauptinitiator in der Jury völlig unbekannt. Sein zynischer Kommentar: "Dann .haben sie eben zwei Auszeichnungen."

Und zu fragen ist natürlich auch, ob ein solches eigentlich in sich geschlossenes Projekt, das nur schulintern Anwendung findet und keinen kommerziellen Interessen nachgeht, derartig gewaltig an den Pranger gestellt werden muss.

So gesehen, gebührt auch FOE BuD ein "BigBrotherAward" Wegen Vers toßes gegen die eigene Vereinsziele. Wird da doch de "vorausschauende Handeln" proklamiert. Zitat: "Nicht erst zu reagieren, wenn ein konkreter Missbrauch von Daten passiert ist, sondern die Entwicklungen (zum Beispiel flächendeckende Videoüberwachung, Zusammenführen von Datenbanken aus verschieden Quellen, Auswertung von Nutzerprofilen, Adresshandel etc.) kritisch zu begleiten und einzugreifen, wenn sie bedenkliche Nutzungen für die Zukunft nahe legen."

So entlarvt sich die Verleihung des Unpreises als reine Show, um bundesweit in die Schlagzeilen zu geraten. Dem Pressespiegel auf der Internetseite des Vereins können nun weitere hinzugefügt werden die Show ist gelungen, es kann angestoßen werden.

Westfalen Blatt, 27. Oktober 2001