Privatsphäre adé

Der Schieb der Woche geht diesmal an: Real Networks

Von Jörg Schieb

Wussten Sie eigentlich, dass der Real Player eine regelrechte Tratschtante ist? Ich wollte es zunächst auch nicht glauben, aber es ist leider wahr: Die populäre Abspiel-Software, von unzähligen Internetbenutzer in aller Welt zum Abspielen von Audio und Video eingesetzt, betreibt systematische Spionage - oder macht sie zumindest möglich.

Technisch funktioniert die Schnüffelei so: Jeder Benutzer - oder besser: jeder PC, auf dem der Real Player installiert ist - bekommt eine GUID (Global User ID) zugeteilt, eine Art elektronischer Personalausweis mit Fingerabdruck. So lässt sich jeder Benutzer zweifelsfrei identifizieren, wenn er mit dem Real Player auf Medienangebote zugreift. Wer im Web Inhalte im Real-Format anbietet, kann den virtuellen Ausweis abfragen - und die Daten natürlich speichern.

Genau das ist der Knackpunkt: Denn so lässt sich bequem feststellen, welche Angebote ein Benutzer so in Anspruch nimmt. Theoretisch kann bei jedem angezeigten Video, bei jedem angehörten Musikstück und bei jeder gebrannten CD ein Protokoll angefertigt und an die Firmenzentrale von Real Networks geschickt werden.

Der neueste Hit auf Knopfdruck

Und das könnte dann so aussehen: Einer Hörprobe des neuesten Hits von Britney Spears gelauscht. Dann eine Vorschau vom jüngsten Film mit Harrison Ford angeschaut - sogar zwei Mal. Anschließend eine CD mit Partymusik aus den 70er Jahren gebrannt. Hinweis: GUID-Inhaber hört bevorzugt Musik mit orientalischen Rhythmen. Wird alles gespeichert - und lässt sich auf Knopfdruck abrufen.

Die GUID macht den eigenen Rechner quasi zum Schlapphut, sozusagen zum IM PC. Wir werden unbemerkt, aber systematisch auskundschaftet. Diese ungenierte Indiskretion hat der Firma Real Networks deshalb vor kurzem den Big Brother Award eingebracht. Ein Preis, den Unternehmen und Personen verliehen bekommen, die es mit Datenschutz und Privatsphäre nicht so genau nehmen.

Zwar hat Real Networks die GUID aufgrund wachsender Proteste in der neuesten Version standardmäßig abgeschaltet, eingebaut ist die Funktion aber nach wie vor. Außerdem weist Real Networks in den überarbeiteten Nutzungsbedingungen ("Privacy Policy") ausdrücklich darauf hin, dass die GUID zumindest bei der Registrierung übermittelt werden muss (bei der sich Real Networks ohnehin recht neugierig zeigt). Eine direkte Zuordnung von GUID und Benutzer ist somit also kein Problem.

Kontrolle mit dem virtuellen Personalausweis

Manche Web-Anbieter bestehen sogar darauf, den virtuellen Personalausweis zu sehen. Natürlich nur im Interesse des "Service", um das Angebot besser personalisieren zu können. Wer sich weigert, bleibt außen vor. Ohne GUID keine Medien. So könnte es in Zukunft immer sein. Wer weiß das schon?

Der Real Player steht leider stellvertretend für eine ganze Reihe von Software, die unbemerkt Daten sammelt und so die Privatsphäre missachtet. Motto: Wenn die Software schon umsonst ist, sollte es gegen ein bisschen Datensammeln doch keine Einwände geben. "Spyware" nennen es die Experten, wenn Software ungefragt Daten sammelt.

Schade, wenn so was ansonsten nützliche und gute Software wie der Real Player macht. Deshalb unbedingt darauf achten, dass die GUID-Funktion nicht versehentlich aktiviert wird. Dann kann auch nichts passieren.

Westdeutscher Rundfunk Online, 13. November 2001
Original: http://online.wdr.de/online/computer/schiebwoche/schieb_woche_46.phtml