Showdown im Kundenkarten-Dschungel

Karstadt und Payback locken mit Rabatten via Telekom und Visa

Von Martina Goy

München - Alexander Rittweger sieht es sportlich. "Endlich gibt es jemanden, mit dem wir uns messen können", sagt der Chef der Loyalty-Partner GmbH, Betreiber der erfolgreichen Kundenkarte Payback.

Im Auge hat der Mann, dem sie den Spitznamen "Herr der Rabattpunkte" gegeben haben, bei dieser Aussage den Donnerstag kommender Woche. Dann nämlich lüftet Konkurrent Karstadt-Quelle, Europas größter Warenhaus- und Versandkonzern, das Geheimnis um seine neu konzipierte Kundenkarte - gemeinsam mit dem frisch hinzugewonnenen Partner - der Deutschen Telekom. Deren potentes Brautgeschenk: 40 Millionen Kunden und das bereits eingeführte Bonus-System "Happy Digits" (glückliche Punkte).

Einen Tag später wird Loyalty Partner, gemeinsame Tochter der Metro und Lufthansa, kontern. Eine neu eingeführte Kreditzahlungsfunktion in Zusammenarbeit mit Visa soll die boomende Nachfrage nach Rabatten von bis zu drei Prozent der Baumarkt-Kette OBI, Kaufhof und Co. (insgesamt 28 Unternehmen querbeet durch alle Branchen) weiter anheizen.

Showdown im Kundenkarten-Dschungel. In Zeiten nachlassender Konjunktur und Kaufkraft ist König Kunde gefragt wie nie. Mit Branchen-Primus Payback (15 Millionen ausgegebene Karten), Karstadt-Quelle (acht Millionen) setzen zwei Unternehmen konsequent um, was erst der Wegfall des antiquierten Rabattgesetzes im Sommer vergangenen Jahres möglich machte: Kundenfang per Rabatt plus attraktiver Geschenke oder Prämien. Und weil derartige Vergünstigungen für Nicht-Orientalen das lästige Feilschen um Preisnachlässe scheinbar überflüssig macht, erliegen immer mehr Käufer dem Reiz der Karten. Die Folge: Deutschlandweit gibt es inzwischen mehr als dreihundert Kundenkarten. Ob Douglas (Parfümerie), Görtz (Schuhe), JK (Bekleidung) oder EDEKA (Lebensmittel) - der Kampf um Käufer via Rabatt ist härter denn je. Der Grund: Eine Studie der Boston Consulting ergab, dass Firmen mit Bonus-Systemen den Umsatz um bis zu 20 Prozent steigern können.

"Es herrscht eine Goldgräberstimmung wie seinerzeit am Klondike", sagt Dirk Klasen von der Verbraucher-Zentrale, "der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt." Sogar die Politik hat die Zeichen der Zeit erkannt. Mit der parteieigenen SPD-Card können Mitglieder billiger Kfz- Policen und Mietwagen erstehen.

Ebenfalls Erfolgsgeschichte schreibt die Bertelsmann- Tochter Webmiles. Überwiegend online, aber auch offline nutzen aktuell bereits eine Million Teilnehmer diese Einkaufsmöglichkeit. Werbewirksamer Clou ist hier als Hauptprämie eine Insel. Wer eine Million Webmiles gesammelt hat, dem winkt der Besitz von Jenkins Island, einer Mini-Insel nahe der kanadischen Küste.

Doch die zunehmende Karten-Manie bereitet auch Sorgen. Mit dem Deal, "Gib mir deine Karte, geb' ich dir meine Daten", ist der gläserne Kunde nicht weit. So war beispielsweise der Diebstahl und Missbrauch von persönlichen Informationen wie Kreditkarten- und Sozialversicherungsnummern in den USA im vergangenen Jahr der häufigste Grund für Beschwerden bei der Federal Trade Commission. Der Betrug mit gestohlenen Identitätsinformationen gehört zu den Delikten mit den größten Zuwachsraten.

Dieser Trend rief Datenschützer auf den Plan. Die 1998 in England gegründete Organisation Privacy International verleiht jedes Jahr den so genannten "Big Brother Award". Damit werden Firmen, Organisationen und Personen geehrt, "die sich in besonderer Weise um die Verletzung der Privatsphäre verdient gemacht haben", wie es ironisch in der Satzung heißt. Im Jahr 2000 kam Payback in den zweifelhaften Genuss dieser Auszeichnung. Das Landgericht München hatte den soeben erst am Markt erschienen Kundenkarten-Betreiber für die Einwilligungsklauseln in den Anmeldeformularen gerüffelt.

Angesichts derart eskalierender Marktkonzentration bangen die kleinen Unternehmen um die Existenz. Sogar mittelständische Betriebe fürchten, im Rabattwettbewerb der großen Konzerne nicht mithalten zu können. Das drohende Szenario der Zukunft sind so genannte Staffel- Rabatte, die mit dem Einkaufswert steigen. Dadurch können die großen Konzerne die gesamte Nachfrage der Einkäufer an sich binden.

Ganz tatenlos allerdings lassen sich die "Kleinen" nicht verdrängen. Im April zum "Mandelblütenfest" in Würzburg soll die fünfte CityCard auf den Markt kommen. Initiator dieser Idee, die regional Einzelhändler und Unternehmer branchenübergreifend bündelt, ist die Erlanger danova GmbH, vor einem Jahr ins Portfolio der Defacto- Unternehmensgruppe (Umsatz 2001: 25 Millionen Euro) integriert. Die erkannten den Trend zur Plastikkarte ebenfalls und setzen ihr Karten-Konzept bereits in Ravensburg, Oldenburg, Schweinfurt und Eichstätt erfolgreich um. Eine Karte für alle macht auch Einkaufen in der Provinz billiger.

Die Welt, 27. Januar 2002
Original: http://www.welt.de/daten/2002/01/27/0127un310354.htx