Der Mensch im Fadenkreuz

Big Brother Award - ein "Preis" für Datenschutz-Verstöße

Von unserem Redakteur
Krischan Förster

Bielefeld/Bremen. Der Mensch gerät immer stärker ins Fadenkreuz von Datenschnüfflern. Ob beim Einkaufen, Telefonieren oder Surfen im Internet - kommerzielle und staatliche Stellen erkunden mit elektronischen Augen bald jeden Schritt. Der "Big Brother Award" warnt seit drei Jahren davor, dass der Mensch "gläsern" wird. Vertreter von fünf Datenschutzorganisationen und Bürgerrechtsinitiativen prämieren damit eklatante Verletzungen der Privatsphäre.

Dieses Jahr geht der alles andere als ehrenvolle Preis unter anderem an den Bundesrat. Angeprangert wird der Beschluss, Telekommunikationsanbieter zu verpflichten, die Verbindungsdaten (sms, eMail, Telefongespräche) von Nutzern für "Zwecke von Polizei und Geheimdiensten auf Vorrat" zu speichern - und das ohne zeitliche Begrenzung. "Dadurch werden auch Informationen von unbescholtenen Bürgern gesammelt, ohne dass überhaupt der Verdacht einer Straftat besteht", heißt es in der Begründung der Jury.

Ein ähnlicher Vorwurf trifft das Bundeskriminalamt. Mit den drei neu geschaffenen Präventivdateien LIMO (Gewalttäter Links), REMO (Gewalttäter Rechts) und AUMO (politisch motivierte Ausländerkriminalität) verstoße das Amt gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der darin erfassten Personen. "Mehr als tausend Menschen sind bereits in den Dateien erfasst, obwohl sie noch nie gewalttätig geworden sind", beklagt der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner, Mitglied der "Big Brother"-Jury.

Es reiche schon aus, wenn die Personalien eines Betroffenen bei einer Demonstration aufgenommen worden seien - schon könne er sich im Kreis "potenzieller Täter" wiederfinden. Folge: Bei Kontrollen oder Auslandsreisen drohen Meldeauflagen, Pass-Entzug oder Ausreiseverbot. Globalisierungsgegner, die in den vergangenen beiden Jahren zu Aktionen ins Ausland wollten, hätten das bereits am eigenen Leib erfahren. "Es ist ein Skandal", so Gössner, dass Polizeimaßnahmen allein auf der Basis ungesicherter Präventivdaten erfolgen könnten.

"Wir wollen mit dem Preis aufklären, aber auch sensibilisieren", erklärt Gössner. Denn gegen drohenden totale Überwachung helfe nur eine wirksame Kontrolle. "Dafür müssen die Menschen aber erst einmal wissen, was läuft."

Weser Kurier, 26. Oktober 2002
Original: http://www.weser-kurier.de/politik/fs_wk_politik.html?id=85940


... und noch mehr "Auszeichnungen"

Bielefeld/Bremen (kf). Weitere Preisträger des "Big Brother" Award sind:

die Innenminister der Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen, Volker Bouffier und Fritz Behrens, wurden "ausgezeichnet" für eine Verschärfung der Polizeigesetze (Rasterfahndung und Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen).

Bayer AG für die Praxis, Azubis vor ihrer Einstellung einen Drogentest abzuverlangen.

Deutsche Post für ihren datenschutzwidrigen Umgang mit Nachsende-Aufträgen.

Microsoft AG (Lifetime-Award) für Schlampereien in Sicherheitsfragen, erzwungene Registrierungspflichten und Einführung neuer Kontrolltechnologien.

Weser Kurier, 26. Oktober 2002
Original: http://www.weser-kurier.de/politik/fs_wk_politik.html?id=85936