Big Brother Bayer

Am vergangenen Freitag kam der Big-Brother-Award zu Bayer. Bei der Aktionärsversammlung des Konzerns wurde der Negativ- Datenschutz-Preis übergeben, samt Kritik. Der Vorstand zeigte Unverständnis.

Von Manfred Horn

padeluun verteilt Flyer Im vergangenen Jahr erhielt die Bayer AG einen Big-Brother-Award. Der Negativ- Datenschutzpreis wird, initiiert vom Bielefelder Verein FoeBuD, seit drei Jahren jährlich an Unternehmen, Organisationen und Personen verliehen, die besonders negativ im Bereich des Datenschutzes auffallen. Bei der Preisverleihung 2002 war die Bayer AG nicht zugegen, um den Preis anzunehmen.

Grund für Rena Tangens und padeluun vom FoeBuD, am vergangenen Freitag zur Bayer Jahres-Aktionärsversammlung nach Köln zu fahren. Dort allerdings herrschten bedenkliche Zustände. Die Aktionärsversammlung in einer Messehalle in Köln-Deutz glich einer Festung. Vor den Eingängen verteilten der FoeBuD und andere Organisationen Flugblätter an die Aktionäre. Ein zahlreich vertretener Sicherheitsdienst nahm den Aktionären die Flugblätter am Eingang jedoch teilweise wieder ab. Dieses führte zu Aufregung und Beschwerden einiger Aktionäre, der Vorstand bügelte jedoch ab und erklärte, von einer Beschlagnahme von Flugblättern wisse man nichts. Ausserdem herrschten am Eingang penible Sicherheitskontrollen mit Metalldetektoren und Taschenkontrolle. "Die Eingangskontrollen waren heftiger als bei einem Interkontinental-Flug", sagt Rena Tangens. Journalisten mussten sich akreditieren, längst nicht alle erhielten Zutritt. Die, in den Saal gelangten, durften dort unausgesprochen keine Fotos machen. Eine Journalistin aus Bielefeld machte einige Bilder und wurde prompt vom Sicherheitspersonal abgeführt. Sie musste alle Bilder, die sie in der Halle gemacht hatte, löschen.

"Bayer macht allen klar, dass sie die Macht und Kontrolle haben", sagt Tangens. Dieses gelte offensichtlich nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Aktionäre. Den Award erhielt Bayer, weil sie Bewerber um einen Ausbildungsplatz zu einem Drogentest zwingt und die daraus gewonnenen Daten maßgeblich über die Einstellung entscheiden. Beim sogenannten "Drogenscreening" soll durch einen Urintest ermittelt werden, ob der Bewerber zum Beispiel Mariuanha konsumiert. Der Test in nicht eine Verletzung der Privatsphäre, er ist auch äußert unsicher. Es hat bereits positive Befunde nach der "Einnahme" von Mohnkuchen gegeben. Zwar können die Bewerber das Drogenscreening auch ablehnen. Doch wer so handelt, hat schlechte Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Die Schweigepflicht der Betriebsärzte, die die Untersuchung durchführen, ist zwar offiziell gewährleistet, Details der Testergebnisse dürfen der Firmenleitung nicht mitgeteilt werden. Stattdessen aber gibt es Vermerke wie "Bewerber/in geeignet" oder "nicht geeignet".

Für die Jury des Big-Brother-Awards stellen die Bayer-Drogentests eine Selektion im Vorfeld dar und zeugen vom grundsätzlichen Mißtrauen einer Unternehmensleitung gegenüber potentiellen MitarbeiterInnen. Mit einem Drogentest müssen Bewerber einen Teil ihres Privatlebens und der Freizeitgewohnheiten offenlegen _ Alkohol ausgenommen. Nach Ansicht der Big- Brother-Jury hat dieses den Effekt, neue MitarbeiterInnen einzuschüchtern und ihnen die Macht des Unternehmens zu demonstrieren. Bei der Aktionärsversammlung konnte Rena Tangens ihre Kritik vor den Aktionären und dem Vorstand artikulieren, dank der "Kritischen Aktionäre" war sie auf der Redeliste. Der Vorstand in Person seines Vorsitzenden Werner Wenning wies die Kritik pauschal zurück: "Das können wir überhaupt nicht nachvollziehen". Der Urintest sei auf Grund der Betriebssicherheit notwendig, die gute Reaktionsfähigkeit seitens der Beschäftigten verlange. Den Preis konnte Rena Tangens nicht persönlich an den Vorstand übergeben: dieser saß unerreichbar erhöht und wurde durch eine Mauer aus Security-Personal geschützt. Und: Bei den Sicherheitskontrollen wurde ein Teil des Preises, eine Glasplatte, vom Sicherheitspersonal eingesackt. Mehr Geringschätzung für einen Preis ist wohl kaum denkbar.

Die kritischen Aktionäre tauchen bei zahlreichen Aktiengesellschaften auf und begleiten die Aktivitäten der Großkonzerne kritisch. Die kritischen Aktionäre von Bayer sind unter http://www.cbgnetwork.org zu erreichen. Eine europäische Adresse zum Thema Kritische Aktionäre: http://www.ethicalshareholders.net. Die ausführliche Begründung für den Big-Brother-Award an Bayer ist nachzulesen unter http://www.bigbrotherawards.de

Webwecker Bielefeld, 02. Mai 2003
Original: http://www.webwecker-bielefeld.de/servlet/is/12515/