RFID als Nachfolger des Barcodes

Datenschützer warnen vor Schnüffelchips

Als technologischen Fortschritt bezeichnen Handelsketten die Sandkorngroßen RFID-Chips zur Produktkennzeichnung. Die damit verbunden Möglichkeiten des Missbrauchs treiben Datenschützer jedoch auf die Barrikaden.

hiz DÜSSELDORF. Viel Aufsehen erregt der so genannte Flagship-Store des Handelsriesen Metro. Hier sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden, welche die Produktkennzeichnung mit so genannten Radio Frequency Identification-Chips (RFID) bietet. Diese Chips sollen in Zukunft die Nachfolge der heute üblichen Barcodes antreten, welche heute auf jeder Verpackung zu finden sind. Sind alle Waren mit RFID-Chips versehen, entfällt das lästige ausladen des Einkaufswagens zur Preiserfassung an der Scannerkasse. Man fährt durch eine Lesestation und der Inhalt wird drahtlos erfasst.

In dem Rheinberger Extra-Markt der Metro-Kette sind unter einigen Preisschildern bereits RFID-Chips versteckt. Manche Hersteller integrieren solche Chips sogar schon bei der Fertigung in die Verpackung ? zum Beispiel beim Philadelphia Frischkäse oder den Rasierklingen von Gillette. Dass auch in die Metro-Kundenkarten ein RFID-Chip integriert ist, stellten die Datenschützer des deutschen Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Foebud) nun per Zufall fest. Damit könnten die Kunden ausspioniert werden, indem über in den Geschäften aufgestellte Antennen die Kundenkarten drahtlos ausgelesen werden, befürchten die Datenschützer. Die Kontrolle, welcher Kunde wann den Laden betritt und verlässt oder wie sich Kunden innerhalb des Ladens bewegen, wäre ohne weiteres möglich.

Weiterer Kritikpunkt: Die Datenschützer konnten mit einem billigen RFID-Lesegerät den vollkommen unverschlüsselten Inhalt der Kundenkarten auslesen und verändern. Alle dort gespeicherten Daten, seien es personenbezogene Angaben oder Transaktionen, könnten also auch unbemerkt von Dritten ausgelesen werden.

Das Metro-Management weist die Vorwürfe zurück. Die einzige Funktion des RFID-Chips in den Kundenkarten sei die, Trailer von DVD-Filmen mit Altersbeschränkung freizuschalten. Die Antennen an den Ein- und Ausgängen des Future Stores dienten lediglich dem Diebstahlschutz, das Auslesen von Kundeninformationen sei nicht möglich. Außerdem seien auf dem RFID-Chip die gleichen Informationen gespeichert wie auf einer herkömmlichen Kundenkarte. Im Gegensatz zur klassischen Kundekarte könnten die Informationen durch den Chip jedoch berührungslos und unbemerkt ausgelesen werden. Es sei aber nicht im Interesse des Handelsunternehmens, die Kunden auszuspionieren.

Die Metro wird jedenfalls noch in diesem Jahr in seinen deutschen Filialen großflächig RFID-Systeme einführen. Ab November sollen 250 Filialen der Metro-Warenhäuser und Verbrauchermärkte sowie zehn Vertriebszentren in Deutschland auf die elektronische Produktkennzeichnung umgestellt werden.

HANDELSBLATT, 11. Februar 2004
Original: http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=relhbi&sfn=buildhbi&CN=GoArt!200104,204016,711833&bt=0&SH=0&depot=0