Die Metro-Gruppe (Kaufhof Galeria, Saturn, Media Markt, real, Praktiker, extra und andere) testet seit knapp einem Jahr im Extra-Future-Store in Rheinberg bei Duisburg sogenannte "RFID-Tags", das sind kleine "Schnüffel-Chips" unter einigen Preisetiketten (Philadelphia Frischkäse, Pantene Shampoo und Gillette Rasierklingen) und in den Payback-Kundenkarten. Die neue Technik eröffnet der Überwachung und dem Ausspionieren von Kunden und Verbrauchern völlig neue Möglichkeiten. Dagegen wird am 28.02 ab 13 Uhr in Rheinberg vom Bahnhof bis zum Future-Store demonstriert. Dazu rufen Verbraucherschutzorganisationen, Attac, die Grüne Jugend, der Chaos Computerclub und andere Organisationen auf.
Das neue an diesen RFID-Chips ist, dass damit jeder angebotene bzw. verkaufte Gegenstand eine weltweit eindeutige Seriennummer bekommt, dass diese Chips per Funk und damit berührungslos, vom Verbraucher unbemerkt, gelesen werden, dass über den Chip in den Kundenkarten alle Verbraucher ebenfalls mit einer eindeutigen Seriennummer ausgestattet sind, die unbemerkt per Funk ausgelesen werden kann.
Zur Funktionsweise: Eine Antenne sendet einen Impuls aus, und der Chip sendet darauf hin seine abgespeicherte Nummer an die Antenne zurück, von wo aus sie weiter verarbeitet werden kann. Menschen, Kundinnen oder Angestellte, die von den Antennen erfasst werden, merken nichts davon - auch nicht von den Funk-Strahlen, denen er dabei ausgesetzt ist.
Musste bisher an der Kasse der gängige Strichcode vor ein Lesegerät gehalten (gescannt) werden, so können nach Planung der Metro bald Einkaufswagen voll mit Produkten mit RFID-Etiketten einfach so durch das Antennen-Tor geschoben werden, und alle Preise sind per Funk eingelesen. Das Umpacken aufs Kassenband entfällt. Was uns damit als praktischer Vorteil untergejubelt werden soll, hat viele Pferdefüße:
Weil die Schnüffel-Chips am Ladenausgang nicht zerstört werden, sind sie weiterhin für jeden Interessierten (andere Supermärkte, Behörden, jeden, der ein im Elektrohandel erhältliches Lesegerät besitzt) unbemerkt lesbar. Eine Deaktivierung der Chips ist technisch derzeit nicht möglich. Der sogenannte "Deaktivator" im Future-Store ist Augenwischerei: Die weltweit eindeutige Nummer wird nicht gelöscht!
Ziel ist, langfristig jeden Gegenstand auf der Welt mit einem RFID und damit dieser weltweit eindeutigen Nummer zu versehen. Das macht eine bisher einzigartige Identifizierung möglich: "Dieser Pullover, diese Armbanduhr, diese Brille, diese Kreditkarte haben alle eine Nummer - aha, Frau Monika Mustermann hat gerade mein Gebäude betreten."
Antennen zum Auslesen sind im Future-Store noch sichtbar, bald werden sie unsichtbar in Wände, Türschwellen, Tanksäulen und Treppengeländern integriert sein. Und wir werden nicht mehr wissen, wer uns wann und warum ausspioniert und beobachtet, jeden unserer Schritte verfolgt. Die Metro-Gruppe hat im Future-Store einen entscheidenden Schritt in Richtung "BigBrother-Gesellschaft" getan: Ohne Information an die Verbraucher wurde im Future-Store eine Payback-Kundenkarte mit RFID-Chip ausgegeben.
Damit ist die rechtlich unzulässige Datensammlung und Verknüpfung der Einkaufsdaten mit einer bestimmten Person ohne Wissen der Betroffenen technisch möglich geworden. Hier in Rheinberg ist ein Feldversuch ausser Kontrolle geraten! Denn die Future-Store-Payback-Karte mit RFID-Chip wird schon jetzt auch in anderen Geschäften benutzt.
Per Zufall fanden die Bielefelder Datenschützer des FoeBuD e.V. diesen RFID-Chip in der Metro-Kundenkarte und waren entsetzt über diese neue Dimension der Kunden-Überwachung. Zusammen mit anderen Organisationen hatten sie dem Metro Future Store schon letztes Jahr den BigBrotherAward (verlinken mit Laudatio-Seite!) verliehen - von dieser neuen Entwicklung ahnten sie damals noch nichts.
Einen Tag vor der brisanten Entdeckung hatten Rena Tangens, padeluun und andere FoeBuD-Mitglieder zusammen mit ihrem Gast, der Verbraucherschützerin Katherine Albrecht von der Amerikanischen Verbraucherorganisation CASPIAN, Boston/USA, den Future Store besucht. Sie waren offiziell vom Projektleiter und vom Pressesprecher empfangen worden. Bei der ausführlichen, fast drei Stunden dauernden Führung, waren sie aber nirgendwo auf den brisanten Chip in der Karte hingewiesen worden. Dabei war genau dies Thema: Die unzulässige Zuordnung von Daten der RFID-Chips zu einzelnen Personen, die von der Metro stets bestritten worden war.
NGO Online, 19. Februar 2004
Original: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=7811