Prozeß verlangsamen oder unterbrechen (Interview Albrecht; 04.02.2004)

Am vergangenen Wochenende war Katherine Albrecht auf Einladung des Bielefelder Datenschutzvereins FoeBuD zu Besuch in Deutschland. Die us-amerikanische Verbraucherschützerin wollte sich einen Eindruck von der Umsetzung der RFID-Technik in Deutschland verschaffen. Die Technologie, die nach dem Willen der Betreiber zukünftig den Bar-Code an Produkten ersetzen soll, wurde in den USA entwickelt, genauer gesagt: Gesponsort von großen Konzernen am berühmten MIT in Cambridge. Dort promovierte auch Albrecht und bekam eine Menge über die Entwicklung von RFID mit.

RFID steht für »Radio Frequency IDentifiction«. Es handelt sich dabei um kleine Chips mit Antenne, sogenannte "Tags" die, wenn sie in die Nähe eines Lesegerätes gehalten werden, eine Identifikationsnummer aussenden. Und: Lesegeräte können unsichtbar zukünftig überall stehen. Deutschland ist zur Zeit Testgebiet für die RFID-Einführung auf der Verbraucherebene. Genauer: Der Metro-Konzern, zu dem unter anderem real, Media-Markt und Kaufhof gehören, testet RFID in seinem sogenannten Future-Store in Rheinberg.

Interview Manfred Horn

Frau Albrecht, Sie haben ein schönes Jackett an, aber musste das gleich 189 Dollar kosten?

Das können Sie gar nicht wissen, ich habe überhaupt keinen ›Tag‹ an meiner Jacke. Aber das ist genau die Frage. Irgendwann wird man in der Lage sein, genau solche Dinge herauszufinden.

Sie haben den Metro-Future-Store in Rheinberg besucht, in dem die RFID-Technik erprobt wird. Im Vorfeld hieß es, Deutschland sei das Versuchsgelände zur Einführung von RFID. Wie stützen Sie Ihre Vermutung?

Ursprünglich gab es solche Versuche in den USA und dann auch in Großbritannien und Australien. Das Auto-ID-Center des Massachusetts Institute of Technology – kurz MIT – bildete das Konsortium der Firmen, die daran beteiligt sind. Die haben vorher geforscht, wo sie RFID ausprobieren können. Die ersten Tests sind in den USA durchgeführt worden, weil die Technologie dort entwickelt wurde.

Eine Untersuchung hat aus Sicht des Konsortiums ergeben, dass die englische Bevölkerung am aphatistischen auf Tests reagieren würde. Dort wurde mit dem geringsten Widerstand gerechnet. Aber dann gab es doch Proteste in England. Und zwar vor einem Tesco-Geschäft, wegen eines Regals, in dem Gilette-Produkte mit einem RFID-Chip angeboten wurden. Dabei wurden die Kunden nämlich zu internen Testzwecken fotographiert, wie sie die Produkte aus dem Regal genommen haben. Vor allem deshalb wurden die RFID-Tests in Geschäften in Groß-Britannien abgebrochen. Man brauchte dann ein neues Ziel: Das nächste Land in der Reihe war Deutschland. Die Versuche finden zur Zeit weltweit nur bei Metro in Deutschland statt.

Sind die Tests in den anderen Ländern auf Grund von Protesten abgebrochen worden, die mit Datenschutzbedenken zu tun hatten?

Absolut.

Verhindert das aber nicht die Einführung von RFID in diesen Ländern?

Das glaube ich schon. Überall in der Welt weiß die Bevölkerung zunächst nicht Bescheid. Auch während der Tests ist den Menschen in den Ländern nicht so richtig klar geworden, was da eigentlich passiert. Bis jemand nachfragte. Dann wuchs der Protest. In jedem Land, in dem RFID bisher ausprobiert wurde, gab es immer eine Gruppe, die sich dieses Themas angenommen hat und die Menschen mobilisiert. Mit dem FoeBuD gibt es auch eine Organisation in Deutschland.

Gibt es deutsche Firmen, die im Auto-ID-Center mitgemacht haben?

Wir haben eine Liste, es gab 103 Sponsoren, unter anderen Metro aus Deutschland. Aber das Auto-ID-Center ist im November 2003 geschlossen worden. Inzwischen wurde ein neues Center gegründet, es nennt sich IPC-Global. Da gibt es aber noch keine Sponsorenliste.

Lehnen Sie RFID kategorisch ab oder gibt es auch Fälle, wo Sie RFID als sinnvoll erachten?

Mit dem Warentransport und der Versorgung einzelner Konsumer-Märkte existiert ein Feld, in dem RFID eingesetzt werden kann. Ein Feld, das den Konsumenten nicht interessiert und ihn eigentlich auch nichts angeht. RFID hat auf diesem Gebiet einige logistische Vorteile. Für die Versorgung reicht es aus, wenn Paletten mit RFID ausgestattet werden, nicht aber die einzelnen Produkte.

Sie waren im Metro-Future-Store, was war Ihr Eindruck dort?

Mein Haupteindruck war, dass die Manager dort selber nicht wissen, mit was sie da umgehen. Nette Leute, aber naiv. Sie sehen das Gefahrenpotential von RFID nicht.

Haben die Metro-Repräsentanten irgendetwas darüber gesagt, ob sie demnächst RFID in allen Metro-Geschäften einführen wollen?

Nein, sie haben ausdrücklich erklärt, dass es sich um einen Test handelt. Aber andererseits gehört Metro eben zum EPC-Global. Deren Ziel ist es natürlich, den Barcode abzulösen und am Ende jedes physikalische Objekt, das auf der Welt produziert wird, mit diesen Geräten auszustatten.

Das wirtschaftliche Gewinn des RFID-Konsortiums liegt klar auf der Hand. Welchen Vorteil haben den die potientiellen Käufer des Systems, also beispielsweise Supermarkt-Ketten?

Metro hat einen Haufen Geld in das System investiert. Das langfristige Ziel für den Einzelhandel ist, dass die sehen wollen, wo ihre Waren sind. Das weitergehende Problem ist, den individuellen Kunden zumindest innerhalb des Ladens dann auch verfolgen zu können. Also ihn beobachten können, was er kauft.

Sind Sie zuversichtlich, die generelle Einführung von RFID weltweit verhindern zu können?

Ich betrachte mich als Erzieher. Ich komme selbst aus der Harvard-Universität und habe über zwei Jahre an vielen Sitzungen des MIT, wo es um die Entwicklung des RFID ging, teilgenommen. Viele der Dinge, die dort besprochen wurden, wurden nicht an die Bevölkerung weitergegeben. Mein Anliegen ist es, das zu tun. Es ging nie darum, diese Technologie nicht einzuführen. Was ich will, ist diesen Prozeß zu verlangsamen oder zu unterbrechen, bis ein gesellschaftsweiter Diskurs darüber geführt worden ist. Jeder muss wissen, wovon eigentlich die Rede ist. Gemeinsam müsste dann entschieden werden, ob und wie RFID eingeführt werden kann.

webwecker Bielefeld, 4. Februar 2004
Original: http://webwecker.dev.iquer.net/servlet/is/18068/