Von Bielefeld bis Korea - ein Datennetz für alle

Von Holger Rottmann und Jost Klenner

Dienstag abend in einem verrauchten Bielefelder Cafe. Treffen von Computerfreaks der FoeBuD. Aa, das Kürzel klingt nicht gerade umwerfend, ich weiß", sagt Jens Ohlig (22) von jenem Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs. Aber: "Der Name ist doch unwichtig." Wesentlich seien Inhalte. Und die seien gut.

Zum Beispiel das bekannteste Internet-Projekt der FoeBuD: die Errichtung des ZaMir-Netzwerks in den verschiedenen Ländern Ex-Jugoslawiens. 1991 wurde mit der Konzeption des Projekts begonnen. Antikriegs-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen aus den teils verfeindeten Gebieten konnten so miteinander kommunizieren. Und Familien gingen via Netz auf die Suche nach verschollenen Angehörigen. Viel schneller als gewöhnlich erhielten sie Nachrichten von Vätern, Brüdern, Ehemännern.

"Der Computer ist nur ein Werkzeug"

Auch einige Flüchtlinge, die mittlerweile in Bielefeld leben, erkundigen sich mit Hilfe jenes Netzwerks über die Verhältnisse in ihrer Heimat. Ehrenamtlicher Betreuer dieser Gruppe ist der 20jährige Schüler Christian Carstensen. Ansonsten bemüht er sich, in den Keller- und Arbeitsräu men des Vereins für Ordnung zu sorgen. Er ist die "Systemputzfrau". Macht sauber. Nicht den Fußboden, sondern die Festplatten. Und das ist wichtig, denn wer will schon, daß sein lieber Brief an einen lieben Menschen aus Versehen im internen Netz der CDU landet?
Datensicherheit nach der von Jens Ohlig genannten Formel, "private Daten schützen, öffentliche Daten nützen", ist generell ein Anliegen der FoeBuD. Das von ihnen benutzte Verschlüsselungsprogramm PGP (pretty good privacy) ist so sicher, daß es nicht einmal die Geheimdienste entschlüsseln konnten. Sagt Jens.
Und Padeluun, der sein Alter mit 20 angibt, wobei wirklich nicht mehr ins Gewicht fällt, daß er mit 18 Jahren noch einmal neu zu zählen begann, träumt von einem Mediencafié, einem Kommunikations- und Kulturzentrum. Wo man hingeht, um zu kommunizieren und nicht, um stundenlang nur passiv bunte Bildchen zu begaffen. Dann führe die neue Technik auch nicht zur Vereinsamung, sagt Christian. "Der Computer ist nur ein Werkzeug, gewissermaßen ein Verstärker. Menschen, die schon immer einsam waren, werden sich noch mehr abkapseln. Andere nutzen das Gerät, um noch mehr Leute kennenzulernen." Er selbst ist Menschensammler. 60 habe er inzwischen kennengelernt.
Beim FoeBuD ist man als Schüler oder Student für 10 Mark im Monat dabei, eine Summe, die bei gewissen anderen Einrichtungen, wie den kommerziellen Internet-Providern oder diversen Internet-CafL~s nicht einmal für eine Stunde Vergnügen im Netz ausreicht.
Aber nicht vergessen: Die Telekom kassiert natürlich auch noch mal. Und nicht zu knapp.

Neue Westfälische, 24. April 1996