Netzprotest erhebt sich vom Bildschirm

Demo gegen Internet- Zensur

Eine Groß- Demonstration wurde es zwar nicht, doch immerhin gingen knapp 300 User in Düsseldorf gegen Web-Zensur auf die Straße. Der Aufmarsch sieht sich als Auftakt einer neuen Bewegung.

Für die Hacker war das alles doch noch ein bisschen ungewohnt. Zum ersten Mal innerhalb ihres knapp 20- jährigen Bestehens lud die renommierte deutsche IT- Experten-Vereinigung Chaos Computer Club (CCC) zu einer echten Straßendemo. Jürgen Büssow (SPD), Regierungspräsident in Düsseldorf, lockte bis zu 300 Internet-Fans zu dem Aufmarsch am vergangenen Samstagnachmittag in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf. Büssow hatte in einer deutschlandweit bislang einmaligen Aktion 80 verschiedene Netz-Provider in dem Bundesland per Sperrungsverfügung aufgefordert, unliebsame Websites «auszufiltern». Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet

Zwar machen sich auch der CCC, die Netzbürgerrechtler- Vereinigung FoeBuD und die anderen Veranstalter der Demo - vom virtuellen Ortsverein der SPD über Teile der PDS bis zur Grünen Jugend - die von Büssow zur Sperrung angemahnten Neonazi-Seiten nicht zu eigen. Man müsse sich jedoch «ungefiltert mit gesellschaftlichen Realitäten auseinandersetzen» können, so der Chaos Computer Club in einem Statement. Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet waren gekommen, um gegen den in NRW beabsichtigten «eingeschränkten Netzzugang» zu protestieren. Einige hatten sich als Symbol die Münder und Hände verbunden. Werde Kommunikation gefiltert, so CCC- Mann Andy Müller-Maguhn, seien Auseinandersetzungen auch mit extremen Strömungen im Rahmen eines gesellschaftlichen Disputs gefährdet.

Parteifreund Järg Tauss spart nicht mit Kritik

Jörg Tauss, bekannter Internet-Experte der SPD- Bundestagsfraktion, sieht im Vorgehen seines Parteikollegen Büssow gar «absurde Pläne», die nicht auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus hinausliefen, sondern höchstens auf die Schädigung des Standortes Nordrhein-Westfalen. Tauss stellte die Frage, ob NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement «dem Treiben seines obersten Medienwächters weiterhin unkommentiert zusehen» wolle. Nur «iranische Ayatollahs, chinesische KP- Funktionären und einigen Menschen in der CSU oder in Singapur» seien bislang auf vergleichbare Ideen gekommen, so Tauss. Die Maßnahmen der Düsseldorfer Bezirksregierung seien «in politischer Perspektive fehlgeleitet, Internet- politisch katastrophal und auch in rechtlicher Sicht» unhaltbar, sagte der Politiker, der die Demo unterstützte. Rote Netzwerkkarte für Regierungspräsidenten

Jürgen Büssow bekam zum Abschluss des Aufmarschs, der vor neugierigen Bürgern durch die Düsseldorfer Innenstadt führte, die «rote Netzwerkkarte» überreicht, die der Chaos Computer Club auch schon auf der Cebit 2002 an Firmen und Institutionen zu vergeben versucht hatte, die die NRW-Zensurversuche unterstützten. Die Übergabe einer Unterzeichnerliste gegen die Web-Filterung scheiterte dann aber.

Unterschriftenaktion gegen den NRW- Netzfilter

Ein Teilnehmer nahm den Kasten mit immerhin 6500 Unterschriften sofort wieder an sich, um deutlich zu machen, was eine derartige Maßnahme bedeutet. Statt dessen überreichte man Büssow einige Comic-Hefte und Werbebroschüren. Dies bleibe übrig, «wenn im Netz eine heile Welt vorgespielt wird», so die Demonstranten.

Für das Web ediert von Ben Schwan

Netzzeitung, 08. April 2002
Original: http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=926&item=185077