Von Cornelia Schulze
Bielefeld. Sie arbeiten friedlich mitten in Bielefeld und vermitteln Botschaften zwischen Menschen, die jahrelang im offenen Krieg gelebt haben. Rena Tangens und padeluun, Gründer des Vereins FoeBuD vernetzen Menschen und keine Computer. Das zeigt sich in ihrem Projekt "ZaMir Transnational Network in Ex-Jugoslawien", das in der kommenden Woche mit einem Sonderpreis der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen prämiert wird.
Kurz nach Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien brechen alle Verbindungen zwischen Kroatien und Serbien ab. Telefongespräche, Reisen oder Briefe über Grenzen hinweg können sich die Bewohner abschminken. "Doch gerade in Kriegszeiten breiten sich Vorurteile, Haß und Angst zwischen Menschen mit verschiedenen ethischen Hintergründen fast widerspruchslos aus, wenn sie nie miteinander sprechen können." Rena Tangens berichtet über ihre Beweggründe, den Knotenpunkt für das Friedensnetz "ZaMir" einzurichten.
Tangens und padeluun arbeiten mit FoeBuD-Mitglied Eric Bachman zusammen, der sich seit Jahren in der Friedensarbeit engagiert. Seit Beginn des Konflikts ist er regelmäßig in Ex-Jugoslawien. Bevor dort das Friedensnetz eingerichtet ist, versucht ein Fax-Dienst mit dem Namen "Communication Aid" den Kontakt zwischen Zagreb und Belgrad aufrechtzuerhalten. padeluun: "Denn die Leitungen ins Ausland funktionieren noch. Kroatien hat zum Beispiel ein Fax nach London geschickt und London hat es zur anderen Seite weitergeleitet."
Dieses System mit Knotenpunkt Bielefeld übernimmt FoeBuD. Bachman sucht Partner in Ex-Jugoslawien und baut ZaMir (Übersetzung: Für den Frieden) auf. Der Kontakt zwischen Zagreb, Belgrad, Ljubljana, Sarajevo, Tuzla, Pakrac und Pristina mit dem Rest der Welt oder auch untereinander läuft über das Zerberus MailBox-System in der Bielefelder Marktstraße. Interessenten in Ex-Jugoslawien werden in Computer- und Modemtechnik geschult und koordinieren das Netz. 1997 nutzen 5.000 Einzelpersonen und Gruppen die friedliche Datenautobahn. Das Netz als Informationsträger mit unbegrenzten Möglichkeiten? Rena Tangens widerspricht heftig. "Wir mußten mit sogenannten Pointprogrammen arbeiten. Mit einem kurzen Anruf bei der MailBox holt sich der Interessent ein Datenpaket ab. Lesen, schreiben und bearbeiten kann der Anrufer die Texte offline am heimischen Rechner."
Netzteilnehmer sparen dadurch erheblich Telefonkosten, und die Leitungen sind nicht so lange besetzt. So konnten rund 3.000 Menschen und Organisationen über drei Telefonleitungen mit Nachrichten versorgt werden. "Wir mußten mit dem Vorhandenen und kostengünstig arbeiten. 1.500 DM kostet in Kroatien ein neuer Anschluß und es dauert zwei Jahre, bis er gelegt wird", so Rena Tangens, zu den Hintergründen.
Mit dem Projekt ZaMir haben Rena Tangens und padeluun besonders im Ausland viel Anerkennung gefunden. Fünf Jahre nach Projektstart wählte die Jury der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen unter 81 Projekten "ZaMir" als Preisträger aus. Zum ersten Mal hatte die Fraktion bundesweit einen Multimedia-Wettbewerb mit dem Titel "Sinnformation" ausgeschrieben.
Insgesamt fünf Geldpreise sollten vergeben werden. Neben "ZaMir" erhält aber nur noch ein Projekt aus Paderborn eine Auszeichnung. Den Förderpreis in Höhe von 3.000 DM bekommt Hans Dietmar Jäger für sein Vorhaben "Radwegenetz von unten". Die Bielefelder aus dem Club der freundlichen Genies, wie sie sich selbst (ironisch) nennen, starten am kommenden Freitag um 10:30 Uhr mit Inline-Skates nach Bonn. Dort ist die Preisübergabe am Dienstag, 26. Mai, geplant.
Neue Westfälische, 21. Mai 1998