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Den Geist beflügeln

Ein Plädoyer für bürgernahe Medienkompetenz-Zentren / Von Rena Tangens & padeluun

Bei immer mehr Menschen "klickt" es. Mehr oder weniger virtuos bedienen sie ihre Computer und laden sich einzelne Info-Häppchen aus dem reichhaltigen Angebot des Internet. Die öffentliche Diskussion beschränkt sich bisher auf zwei Aspekte der Netze und Neuen Medien: Die Möglichkeiten und die Risiken. Eine Diskussion darüber, wie wir kompetenter mit den neuen Medien umgehen können, fehlt. Was ist eigentlich die vielzitierte Medienkompetenz?

Ursprünglich aus der Linguistik stammend, wurde der Begriff "Kompetenz" Anfang der siebziger Jahre von Dieter Baacke in die Pädagogik übertragen. Medienkompetenz wird oft als Medienerziehung missverstanden.

Der Begriff "Medienkompetenz" ist viel umfassender - es geht nicht um Erziehung, sondern um Bildung.

Medienkompetenz hat vier wesentliche Aspekte. Der erste ist die Kenntnis: der Angebote und der verschiedenen Medien. Der zweite Aspekt ist die Anwendung, also der kompetente Umgang mit diesen Medien. Auch die Kritikfähigkeit ist ein wesentlicher Aspekt. Zuletzt sind Kreativität und Innovation wichtige Elemente.

Wenn heutzutage von "Medienkompetenz" die Rede ist, werden zumeist nur die ersten beiden Punkte angesprochen. Ohne die Fähigkeit zur Kritik und zur eigenen Innovation jedoch bleibt es bei der Einübung von bloßen Fertigkeiten zur Bedienung. Medienkompetenz ist ein Teil von Kommunikationskompetenz - nicht umgekehrt! Menschen brauchen Mut auszuwählen, sie brauchen Mut, um der eigenen Wahrnehmung zu trauen, und sie benötigen Vorstellungskraft, um zu wissen, was sie wollen. Wer das alles schon vorher erworben hat, wird sich auch in den Netzen zurechtfinden.

Wem diese Fähigkeiten allerdings fehlen, der wird sie durch Mediennutzung allein und auch in den Netzen nicht lernen, sondern sich darin verlieren.

Was liegt näher, als in allen Städten Zentren zu schaffen, in denen ein komplettes Dienstleistungsangebot (Beratung, Bildung, Information Broking, Telearbeitsplätze, Call Center) zu finden ist? Besucher werden nicht mit der Technik allein gelassen, sondern es stehen bei Bedarf stets kompetente Menschen zur Verfügung. Das Personal muß dafür neben fachlichen Kenntnissen den Willen zur interdisziplinären Arbeit haben und eine hohe soziale Kompetenz besitzen.

Diese Orte erfüllen auch als informeller Treffpunkt eine wichtige Funktion. Zukunftsfähige Konzepte brauchen solche Kristallisationspunkte, Freiräume, wo Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Interessen sich treffen, zusammenarbeiten und dieses Potential für die Allgemeinheit nutzbar machen.

Hier kann ein Gegengewicht zum Einigeln zu Hause hergestellt werden. Heute, wo Telearbeit, Telelearning, Electronic Banking oder Video on Demand für viele Alltag sind und das Essen per Pizza-Bringdienst ins Haus kommt, werden öffentliche Orte gebraucht, wo Menschen sich persönlich treffen können. Weder E-Mail noch Chat, noch Videokonferenz können die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ersetzen. Kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene Forschungsabteilung könnten hier Know-how finden, ebenso Personen mit Bedarf an Weiterbildung.

Wir sollten uns nicht scheuen, groß zu denken: Diese Kompetenzzentren sollte es zukünftig in jeder Stadt geben. Für Konzeption und Planung ist es sinnvoll, zunächst ein Pilotprojekt als Denkfabrik einzurichten. Dazu wird ein interdisziplinäres Team von Menschen mit praktischem Hintergrund gebraucht, die sich sowohl der wirtschaftlichen als auch der gesellschaftlichen Verantwortung bewußt sind. Experten mit den kulturellen und sozialen Erfahrungen in einem echten Bürgernetz wie dem ,,/CL-Netz" haben bereits Antworten auf Fragen und Probleme erarbeitet. Von diesen Erfahrungen könnten alle profitieren.

Und die Finanzierung? Telekommunikation ist ein Milliardengeschäft! Es ist Aufgabe der Politik, die hier tätigen Unternehmen daran zu erinnern, daß Eigentum verpflichtet und keine Handelstätigkeit frei von Verantwortung ist. So könnten von Kommunikationsunternehmen eingeforderte Lizenzeinnahmen dazu verwendet werden, um die Grundlagenarbeit für entsprechende Bildungstreffs zu finanzieren (Kompetenzabgabe). Die einzelnen Zentren in den jeweiligen Städten finanzieren sich aus den Einnahmen ihres Dienstleistungsangebots.

Innovation für demokratieverträgliche Mediennutzung braucht Mut - und Freiräume. Langfristig denken heißt: In Menschen investieren.


© WWW-Administration, 21 Jan 03