Eine Mailbox ist erst einmal etwas sehr Praktisches. Einmal ist es - wie der Name schon sagt - ein Briefkasten. Wenn wir davon ausgehen, daß eine Vielzahl von Briefen heute bereits auf einem Computer getippt, ausgedruckt und per Post verschickt werden, ist es einleuchtend, daß wir diesen Brief viel einfacher direkt von Computer zu Computer schicken können. Dazu müßten die beiden Computer mit einem Kabel verbunden werden. Das geht, wenn beide Computer nahe beieinander stehen. Nicht aber, wenn zwischen ihnen viele Kilometer liegen. Damit sie sich verstehen können, wird noch eine Art Adapter zwischen Computer und Telefon geschaltet: Das .Modem" (zitiert aus FoeBuD e.V. Inforation).
FoeBuD versteht sich nicht als "normaler" Computerclub, der bloß billige Hard- und Software sowie Computerversicherungen anbietet. Denn: "In unserem Mailbox-Konzept steckt ganz klar drin, daß zu jeder Mailbox auch ein soziales Netz gehört. Ohne das ist es nicht machbar. Eine Mailbox muß globaler Dorfbrunnen sein. Jeder, der glaubt, daß die Mailbox-Kommunikation menschliche Kommunikation ersetzt, ist schief gewickelt", erläutert Rena Tangens.
Vorteile von Mailboxen? Da fällt den Künstlern von Art d'Ameublement einiges ein. padeluun nennt ein Beispiel: "Angenommen, du möchtest einen Brief mit der "Bionic" nach München schicken. dann kostet ein kB - das ist ungefähr eine Bildschirmseite - zehn Pfenning. Bei der Briefpost müßtest du eine Mark bezahlen."
Solche Kommunikation kann eine einzelne Box allerdings nicht leisten: dafür muß sie schon in einem Netz hängen - wie die ..//Bionic" im Zerebus-Netz. Rena ergänzt: "Du kannst also Deinem Bekannten in München sagen, er soll sich an eine der zwölf Boxen wenden, die dort am Zerebus hängen. Ihr braucht also nicht mehr Ferngespräche führen, sondern jeder ruft zum Ortstarif bei seiner Box an, und die Boxen tauschen untereinander komprimiert aus. Das ist einer der großen Vorteile."
Gerade im Medienbereich ist die Mailbox äußerst nützlich; kein Zufall, daß Journalisten von großen Zeitungen die "//Bionic" ausschließlich für berufliche Zwecke benutzen. Ein Text kann an die Redaktion übermittelt, dort sofort wieder auf Diskette "überspielt" und weiterverarbeitet werden, wodurch das nervige Abtippen erspart bleibt - im Gegensatz etwa zu gefaxten Nachrichten, die noch einmal "erfaßt" werden müssen.
Doch auch Privatleute profitieren von den vielfältigen Funktionen des Mediums. So können an den "schwarzen Brettern" der Mailboxen Nachrichten "distributiv" hinterlegt werden - jeder andere Benutzer kann sie lesen und seine eigenen Kommentare dazu schreiben, wenn er will. Theodor Heuss sagte einmal: .Leserbriefschreiber sind in der Regel Rentner, Nörgler oder berufsmäßige Querulanten." Sind solche schwarzen Bretter nicht ein Paradies für diese seltsame Spezies? Rena und padeluun sehen das anders: in der Mailbox sind die Rollen neu verteilt, da ja jeder sowohl Leser als auch potentieller Schreiber ist.
Padeluun gibt zu: "Die .Mailbox hat mit diesem Problem zu kämpfen. Deshalb beschäftigen wir uns auch als Künstler damit, weil wir herausfinden wollen, ob man nicht ohne Reglementierung die Menschen dazu bringt, dieses Medium qualitativ zu nutzen." Er betont, wie gut sich Mailboxen als Gegenmedium eignen: "Wir hatten hier immer schon Leute, die das nicht zum Selbstzweck machten oder weil sie die Technik oder das Programmieren interessiert, sondern die das Medium als Gegenmedium benutzen wollten. Es ist einfach sehr viel billiger, sich einmal den Gegenwert einer Druckauflage ins Zimmer zu stellen und dafür immer zu veröffentlichen, als jeden Monat immer wieder das Geld für Druckerei und Setzerei auszugeben." Und die öffentlichen Nachrichten erreichen immerhin über 20.000 Leser und Leserinnen in der ganzen Bundesrepublik, Tendenz steigend. Eine Ausweitung über ganz Europa ist nur noch eine Frage der Zeit. Auch ist es beispielsweise möglich, ein Netz mit einem anderen zu verbinden. So gibt es ein eigenes Netz des ..Sozialistischen Computer Clubs", der sich auf ökologische und politische Fragen spezialisiert hat.
"Und so kann man mit der Zeit sehen, welches Netz dem 'Spiegel' entspricht, welches dem 'Stern' und welches der 'Neuen Revue' - auch das wird es geben", fährt padeluun fort.
Der FoeBuD e.V. inklusive der Künstlergruppe Art d'Ameublement sind auf der CeBiT vom 13. bis 20. März in Hannover vertreten. Dabei werden die Macher zu den wenigen Exoten gehören, die sich mit der experimentellen Seite des Computers beschäftigen. "Es ist ganz schlimm, daß Leute nicht begreifen, daß man Dinge tun muß, die keinen direkten Sinn haben", so padeluun.
Es hat sich einiges verändert auf der CeBiT. Rena erzählt: "Früher gab es dieses Computer-Camp. Das heißt jetzt 'Computer 2000' und beschäftigt sich vorwiegend mit Karriereplanung und Weiterbildung. Früher waren mehr Clubs und auch Jugendliche eingeladen, etwas zu tun. Heute kommen Firmen und stellen ihren Ausbildungsbreich vor. Ich glaube nicht, daß Jugendliche auf diese Weise interessiert werden, dort etwas eigenes anzufangen."
PUBLIC, Hildesheim, 3/91