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Anlehnung an die vor 50 Jahre unterzeichnete UN-Deklaration - Diskussion über ethische Grundlagen im Netz

Menschenrechtserklärung für den Cyberspace

Von Peter Zschunke

50 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte in den Vereinten Nationen will eine Gruppe von Internet-Aktivisten die Deklaration an die Erfordernisse der Informationsgesellschaft anpassen. "Es gibt grundlegende unveräußerliche Rechte auf Zugang zu Information, Kommunikation mit jedem und das Recht, daß niemand den Zugang zum Netz verweigern darf", erklärt Robert Gelman, der jetzt einen Entwurf für eine "Erklärung der Menschenrechte im Cyberspace" zur Diskussion gestellt hat. Gelman steht in Verbindung mit der in Kalifornien ansässigen Organisation Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich seit langem für die Freiheit im Internet einsetzt.

Die jüngste Erklärung setzt die Reihe von Versuchen fort, die Entwicklung der Cyberkultur auf eine ethische Grundlage zu stellen und allgemein anerkannte Werte für die Nutzung von Computernetzen zu vereinbaren. Vor zwei Jahren veröffentlichte EFF-Mitbegründer John Perry Barlow eine Unabhängigkeitserklärung für den Cyberspace, in der er den Regierungen der Welt zurief: "Unsere Welt ist anders!" Im digitalen Raum solle eine Zivilisation des Geistes entstehen, die keiner politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Macht mehr unterworfen sei. Und vor einem Jahr wurde an symbolträchtigem Ort auf der Wartburg bei Eisenach eine "Charta der Internet-Freiheit" unterzeichnet, deren zehn Punkte sich unter anderem gegen staatliche Zensurversuche wehren und mit dem Satz schließen: "Wir sind das Netz!"

Indem alle am Internet interessierten Menschen sich an der Konzeption der Menschenrechtserklärung beteiligen, so streben es die kalifornischen Initiatoren an, "machen wir den Cyberspace zu einem Ort, der das Beste menschlicher Gedanken und Ideale voranbringt". In der Präambel des Entwurfs ist die Rede vom "Übergang von einer auf Eigentum gegründeten Gesellschaft zu einer auf Information beruhenden Gesellschaft", die allerdings auch von der Herausbildung neuer Machtstrukturen begleitet sei. Dabei bestehe die Gefahr, daß Regierungen und andere Organisationen die freie Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten einzuschränken suchten.

Deshalb fordert der erste der 24 Artikel des Entwurfs ein universelles Recht auf ungehinderte Kommunikation: "Für die Ideen und Ausdrucksweisen aller Menschen soll es dieselbe Möglichkeit geben, geäußert und angehört sowie mit anderen geteilt zu werden." Bei der Nutzung der elektronischen Kommunikation darf es laut Artikel 2 keine Nachteile aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Sprache, politischer Meinung oder wirtschaftlicher Stellung geben. Artikel 3 deklariert ein Recht auf Datenschutz, Anonymität und Schutz vor Online-Betrug, wozu laut Artikel 12 auch der freie Einsatz von Verschlüsselungsprogrammen gehören soll.

Zu den weiteren Grundsätzen gehören die Meinungs- und Religionsfreiheit (Artikel 13), das der Versammlungsfreiheit entsprechende Recht auf Bildung von Online-Gemeinschaften (Artikel 18), das Recht auf Ausbildung in den neuen Technologien (Artikel 19), die Freiheit von Kunst und Wissenschaft (Artikel 21), die Übertragung bestehender Gesetze zum Schutz von Minderjährigen oder von Verbraucherrechten auf die Online-Welten, wobei internationale Vereinbarungen zur Angleichung dieser Rechtsvorschriften befürwortet werden (Artikel 7).

Die Diskussion über den Entwurf kommt gerade erst in Gang. Der Bielefelder Künstler padeluun verweist auf seine eigenen "Thesen für eine vernetzte Welt" , die bewußt auf alle Euphorie verzichten und darauf gründen, daß es auch im Internet keine anderen Menschen gibt als im sonstigen Leben. Folgerichtig gehört zu seinen Thesen auch ein "Recht auf Dummheit". Aber auch padeluun hält es für sinnvoll, sich der Grundlagen des Lebens im Computernetz zu versichern: "Netze an sich sind chaotisch. Das ist gut so. Dennoch gibt es einen Bedarf, innerhalb dieser Chaotik Strukturen zu bilden, Ruhepunkte zu finden und Verläßliches zu gründen."

© WWW-Administration, 21 Jan 03