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Kunst an der Schnittstelle

Von Manfred Strecker

Kunst-Arbeit, Tor 1 und Waldhof" - so lautet der Titel eines Großprojekts des Bielefelder Kunstvereins, das mit Landesmitteln junge Kunst aus und um Bielefeld vorstellt. Künstlerinnen und Künstler haben für die ehemalige Fabrikhalle der Dürkopp-Werke (Tor 1, Nikolaus-Dürkopp-Straße) Installationen und Werk-Gruppen erarbeitet, die di. bis fr. von 15 - -18 Uhr, sa. und so. von 13-18 Uhr dort und im Museum Waldhof zu sehen sind. Wir stellen die beteiligten Künstler in einer lockeren Folge vor.

Bielefeld. 26 Tonnen Beton, gegossen zu einem vielräumigen Fundament von 50 Zentimeter Höhe - das ist Realraum. Im Hintergrund allerlei Geräusch, Gesprächsfetzen, Klang; daneben Bildschirme; außerdem: ein Gebilde in der Form eines Fisches, es schwebt im Raum. Und wir bewegen uns in einer Grenzregion, an Schnittstellen, an denen sozusagen der Geist materielle Wirklichkeit wird. Oder Bits und Bytes ihre wirklichkeitsschaffende Energie bezeugen.

Zum Beispiel bewegen wir uns dabei inmitten der Dürkopp-Fabrikhalle andeutungsweise im Bunker Barbara. Mausklick für Mausklick erfährt man darüber am beigestellten Bildschirm mehr, dort kann man den Bunker Barbara - interaktiv - Stockwerk für Stockwerk begehen.

Weit spannen Michael Falkenstein und Klaus-Dieter Michel, die Urheber, den Assoziationsraum über dieses Bunkerprojekt, das ein historisches Vorbild in einer Anlage in der Normandie hat. Der Bunker als Schutzraum geht zurück auf archaische Zeiten, die Höhle, heute dient er in unseren Städten - vorübergehend - der Unterbringung mäßig beliebter Menschengruppen, den Asylbewerbern.

"Bunker Barbara" ist nur eines der acht Projekte, die Falkenstein und Michel unter der großen Überschrift "Art War Peace Sculpture Project" (awp) schon einige Zeit im Internet angelegt haben. Auch die Klangkulisse bei Dürkopp ist ein Internet-Produkt, zu dem geneigte Netz-Surfer beitragen können. Zu den Kategorien "Politik, Kommerz, Orgasmus" werden seit Ende 1995 Klangdateien gesammelt, die Realgeräusch "real" oder verfremdet in die "Subliminal-Kammer" des Bunkers Barbara einspielen - das, was wir in der Dürkopp-Halle hören. Und auch der schwebende Fisch, ein künstlicher Hecht aus dem Karpfenteich alias der Vierwaldstätter See, gehört zu einem der Projekte mit Titel "Endschutzsender für Luzern".

Was in der Dürkopp-Halle nur einen Zipfel weit in den Realraum und unsere Alltagswirklichkeit hineinreicht, hat mittlerweile schon derart Zuspruch unter den elektronischen Flaneurs in den Netzen erreich!, daß "awp" mit großen Ausstellungen in den Real-Museen spielend mithalten kann. Rund 50 OOOmal pro Monal - jeweils die Hälfte die englischen oder die deutschen - werden die von den Bielefeldern Falkenstein und Michel angelegten Bildschirmseiten im Internet angewählt.

Vorzug gegenüber der Realkunst: Anfassen ist geradezu erwünscht, Beiträge dürfen und sollen die Benutzer hinterlassen, vielleicht im elektronischen Lifetime Hotel ein Zimmer belegen.

Falkenstein und Michel sind mit "awp" in der Kunstszene bekannt geworden. Die Bielefelder Galerie David präsentierte die beiden unlängst auf der art cologne, demnächst werden sie einen Beitrag aus den Projekten für den Hamburger Kunstverein realisieren - der Ausstellungstitel lautet "Unfriede", der Untertitel "Sabotage von Wirklichkeit". (Netz-Adresse: http://www.foebud.org/kcoopawp/)


Neue Westfälische, 07. Dezember 1996


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