BÜRGERBETEILIGUNG AUF DRAHT - MAUSBESUCHE BEI WEBWECKER, WEBMOBIL & BIELEWELT

WebWecker - kein Name für Schlafmützen. Leider war er schon weg, als Claus Sobott noch gar nicht wusste, dass er ihn haben wollte. Der stellvertretende Geschäftsführer des Vereins Arbeit und Leben suchte im letzten Jahr irgendwas innovatives für einen Weiterbildungs-Fördertopf- und findet es heute ganz gut, dass sein "WebWecker" nun den unterscheidenden Zusatz "Bielefeld 1. in der Adresse tragen muss (www. webwecker-bielefeld.de), schliesslich sei der Bielefelder Impuls etwas ganz besonderes.

Jedenfalls soll er das mal werden. Ein Internet-Instrument gegen die Politikverdrossenheit, ein Partizipations-Portal, licher für die kommunale Offentlichkeit. Und ein Pilot-Projekt, denn die Landesmittel gibt es gar nicht für echte Bürgerbeteiligung, sondern für eine Studie darüber, ob man sie so wie in Bielefeld machen soll.

Nämlich langsam und vorsichtig. Einmal die Woche schreibt Redakteur Wolfgang Föste Informationen rund ums Thema zusammen ("oft ans der Tagespresse, zum Recherchieren fehlt einfach die Zeit") erzählt von gelungenen Beispielen (Thema Stadtwerke) und weniger gelungenen (Agenda 21 - "obwohl: die Gruppen fanden ihre Arbeit gut, nur die Stadt zog nicht mit") verweist Interessierte an andere Stellen irn WWW weiter ("bielefeld.de ist nicht sehr interaktiv, aber Mannheim ist ein Vorbild") und sucht dringend Mitgrunder für eine, "Lokalpolitische Internetwerkstatt."

Nur Chats, keine Charts

In der könnte dann auch der Wecker interaktiver werden, als es die Web-Designerin Anja Hoffmann bisher vorgesehen hat. Chats, Foren, Datenbanken, Votes und Notes und alles was zappelt und blinkt haben sich die Bürgerbeteiliger erstmal verkniffen. Schliesslich seien Chaträume kaum der geeignete Ort für politische Debatten, null Volksabstimmungen per Mausclick nicht der Gipfel der Demokratie sondern möglichweise eher das Gegenteil.

Sobott und Föste wollen nicht mit Gewalt als Mitmachtheater im Netz aufführen, sondern lieber existierenden Gruppen ans Netz und seine Möglichkeiten heranführen. Schließlich kennt sich Arbeit und Leben besser mit politischer Bildung aus als mit % virtuellen Utopias.

Mit einigen Initiativen, in etwa irn rosagrünen-Bereich angesiedelten, klappte das schon, andere sollten möglichst bis Weihnachten dazukommen. Denn dann ist da,; Startgeld aufgebraucht (48.000 Mark für's erste Jahr, davon 1/4 Eigenmittel von Arbeit und [,eben). damit hat eine Evaluations- und Transfer-Tagung durchdiskutiert, was am Bielefelder Wecker besonders mitrasselnd war, dann gehen die Anträge raus auf etwa zwei Millionen für die nächsten drei Jahre.

Nur mit genug frischem Geld wäre eilte richtige Redaktion zu finanzieren, eine wirksame OnlineKonferenz zu programmieren, echte Beteiligung von unten zu erreichen

More Money

Von oben arbeiten von Städtetag bis Stoiber viele an "plebiszitären Elementen", "interaktiven Rathäusern und Bürgerentscheid-Satzungen (in Bielefeld kostet ein Ja/Nein -Frage demnach demnächst 36000 Mark); aber der Verdacht greift um sich, dass sowas gar nicht eingeführt würde. wenn es etwas verändern würde. Und dass es ein Gemeinwesen eventuell nicht wirklich weiterbringt, alle 5 Minuten über die Fahrtrichtung in Einbahnstrassen abstimmen zu können.

So begleitet auch der Bielefelder Datenarbeiterverein FoeBud das Wecker-Experinient als kritischer Beirat (in Form von Rena Tangens. "Deren Projekte sind für uns mehrere Millionen zu klein", aber solange ihre Träume nicht finanzierbar sind, lassen sie sich gerne nach ihrem Wissen über Kommunikation und Vernetzung fragen ("Conten ist wichtig, echter Kontakt ist wichtiger, Hardware ist unwichtig, verantwortliche Arbeit über längere Zeit ist unverzichtbar"). Immerhin ist FoeBuds unmodernes Bionic-Mailbox-System die Mutter aller Beteiligungstechnik ... und ihre politischen Einmischungen sind ein bundesweit vorbildliches (ungefördertes) Beispiel:

Kamera ab

Am 1. Oktober etwa spricht der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz Dr. Thilo Weichert im Bunker über die in Bielefeld geplante RaSpi-Park-Kamera-Überwachung. Der FoeBud ist dagegen, die meisten Parteien sind dafür, der Wecker berichtet darüber. Mit erkennbaren Neigungen, aber ohne ausformulierte Position.

So auch zum Thema: Webmobil; das seit 2 Jahren in Westfalen herumfährt und Stadtrand- oder Landjugendliche ambulant ins Internet bringt, mit ihnen eine WebCam installiert. Musterseiten für eine Kinderzeitung irn Internet bereitstellt oder gerade eben ein halbes Dutzend Jugendzentren von Extertal bis Elpke für einen "NetGranPrix" zusammenschaltete. Mit Chat und Ouiz und Online-Abstimmung über selbstgemachte Computermusik.

Die Beteiligung war gemischt aber lehrreich, das Zusammenspiel von Online-Praktikern (Mobil), Online-Presse (Wecker) und Online-Theorie (Padeluun) Sollte aber noch besser werden.

Wenn der Wecker ins nächste Jahr kommt. Das Webmobil hat's gerade so eben geschafft, noch einmal gibt es Projektgeld, nach der Anschub-jetzt die Abschluss-Finanzierung, um die Erfahrungen an Jugendarbeits-Einrichtung halb NRWs weiterzugeben (Gesamtkosten ca. 1,2 Mio.)

Bielewelt

Da können sie die vom Jugendring gleich mitnehmen. Der bastelte sich gleich ein halbes Dutzend Internet-Auftritte (aus dem Radio-Etat Dirk Rehlmeyers), die alle irgendwie die Jugendarbeit in Bielefeld verweben sollen - und dermaleinst einen interaktiven und von den Benutzern selbst fortentwickelten Stadtplan ergeben.

Bis dahin chatten die Kids, clicken sich ein geschlechts- und alters-adäquates Tagesprogramm zusammen und können. wenn sie wollen, auch zum WebWecker finden, der wiederum erklärt, das es anderswo schon richtige Jugendparlamente gibt. Ausserhalb Bielefelds und nicht im Computer.

Bis dahin versuchen sich alle Beteiligten erstmal beizubringen, wie man feststellt, ob überhaupt jemand in die Computer kommt. Das Grundproblem der Bürgerbeteiligugung per Maus scheint nämlich zu sein, dass da nur mitmacht, wer eh schon drin ist. Viele NetzGranPrixKids jedenfalls standen lieber im Garten und spielten mit dem Handy rum, als drinnen Demokratie.

WING

Ultimo, 25.September 2000