Die Beschäftigung mit dem PC, dem Personal Computer: eine Freizeitbeschäftigung, am heimischen Tastenbrett die eigene Intelligenz ins Vielfache zu steigern Elektronisch. Oder - jenseits dieser individuellen Tätigkeit, ja darüber die Apparatur der elektronischen Datenverarbeitung dazu in der Lage, zentral kontrolliert sämtliche persönliche Daten zu speichern und zu verknüpfen. Das eine spielt dem anderen zu. Die CeBIT in Hannover, die größte Computer-Messe, zeigt zur Zeit. wie die brave new world bequem und diskret einzurichten ist. in Bielefeld dagegen eine kleine Veranstaltung. in der sich diejenigen treffen die dem Großen Bruder Paroli zu bieten angetreten sind. CeBIT Hannover Die oberste Etage public domain Bielefeld einige Stufen in den Untergrund, Bunker Ulmenwall. Zwei Berichte.
Alle wollen Computer haben, keiner weiß genau wieso..." Dieser nette Hit ,Gummitwist' der Düsseldorfer Musikgruppe DER PLAN beschreibt es sehr schön. Und wenn auch noch nicht alle einen Computer haben, so reden doch die meisten darüber. Sie reden über Vernichtung von Arbeitsplätzen, Verflechtung von persönlichen Daten; viele werden bei diesem Thema von einer spontanen Abneigung - und/ oder - Faszination gepackt. Aber so richtig mit Hand und Fuß (und Hirn?) läuft diese Auseinandersetzung nicht.
Eher so: Die, die einen Rechner haben, unterhalten sich nur noch über technischen Krims-krams und die, die keinen haben, reden über alles drumrum: Gesellschaftliche Veränderungen, politische Konsequenzen und was man unter Normalbürgern so Inhalte' nennt, Also ein öffentliches Thema. Eine öffentliche Domäne. Also organisierte der BUNKER ULMENWALL in Zusammenarbeit mit Art d'Ameublement einen Computertreff: Public Domain. Und tatsächlich kamen 100 Menschen und standen herum und staunten und fragten sich, wo denn wohl die Computer wären. Es schien die Erwartung gewesen zu sein, daß auch PUBLIC DOMAIN eine Veranstaltung werden sollte, wir eine übliche Computermesse. (Nebenbei: Die CeBIT in Hannover läuft vom 4,3. bis 11.3.1987 - Treffen für Hacker jeweils am größten Poststand... ) Aber - Public Domain setzt ein gewisses Maß an Eigenständigkeit voraus. Der sturnpfe Konsumententrieb sollte keineswegs befriedigt werden, für Computerbesitzer und - Besitzlose. Kontakte sollten geknüpft werden. (Wer hat die Nummer von der Mailbox in Pivitsheide?).
Aber das schien nicht so herübergekommen zu sein. Die Veranstalter hielten es anscheinend nicht für nötig, Gebrauchsanweisungen zum Gebrauch einer Veranstaltung wie PUBLIC D0MAIN herauszugeben. Nirgendwo wurde der Gast darauf hingewiesen, daß er selber aktiv werden muß. Ohne jede Behutsamkeit und pädagogische Hinführung (Hinrichtung?) wurde der Gast mit einer offenen Situation konfrontiert und mühsam drängelten sich zeitweilig 6 Leute hinter den zwei Veranstalterseits aufgestellten Rechnern. Hier versucht dann der berühmte Qualitäts-disk-Jockey Dirk Fortmann auf C 64 und ,UNICEF' Oliver Ionescu auf ATARI, die sich nun plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sahen, mit dieser befremdlichen - kommunikationsfeindlichen - Situation zurechtzukommen. Hier wurde dann das Angebot des ,Your face on Disk' in die reale Digitalisierung umgesetzt und usern freundlich davon abgeraten, ihre BASIC-Programmme auf Eproms brennen zu lassen. Allenthalben wurde nach den Leuten aus Hamburg gefragt und als man diese als die normalen netten Leute am Tisch dort drüben identifizierte war der Starkult endgültig am Boden.
Reinhard Schrutzki, der Betreiber der Clinch-Box in Hamburg demonstrierte auf einem IBM-Rechner offline seine Mailbox. Eine Mailbox ist eine Wandzeitung. Jeder kann etwas hineinschreiben und jeder kann etwas lesen. Dazu muss aber nicht jeder vor der Wand stehen. Es reicht ein Telefonanschluß und ein Rechner, nebst MODEM. Und schon kann man ungestraft über Leute, die keinen Rechne haben oder der Post die vielen Gebühren nicht gönnen, herziehen. Oder aber wie es die Mailbox der Bayrischen Hackerpost fertigbrachte - bereits zwei Tage nach der kleinen Betriebsstörung in Tschernobyl aktuelle Meßdaten verbreiten. Oder aber abrufbereit die Kontonummer von Greenpeace oder Art d'Ameublement (Hier Platz für eigenen Namen: ) zur Verfügung stellen. Matthias Kuhn, ebenfalls Chaos-Clubler war erstaunt: Trotz schriftlicher Aufforderung neben dem Computer, die Mailbox bitte auszuprobieren, tat dies kaum einer. "Vielleicht hätten wir lieber ein Schild aufgestellt ,Berühren Verboten' und das PassWord verschwiegen...".
Die Reihe PUBLIC DOMAIN im Bunker Ulmenwall wird fortgesetzt. Denn das Interesse war riesengroß. Und wie wir außerkapitalisitisch miteinander umgehen wollen, werden wir dann auch noch lernen. Also: So viele wie möglich sollte ihre Rechner ringen und damit es nicht zu viele werden, sollte dies vorher gemeldet werden: 0521-6 1193 ist die Telefonnummer. Wundert euch nicht über den schrecklichen Hupton des Rufzeichens, aber obige Nummer ist bereits an die digitale Telefonvermittlung angeschlossen. Außerdem kann das Treffen, als Computerflohmarkt werden. Auch (Original) Software kann getauscht werden und wer Lust hat einen Workshop zu besonderen Fragen des Volkzählungsboykott oder zu dem Thema ,Glauben Computer an Gott' zu initieren, der soll das gerne tun. Anrufen. Kommt ins Programm. Und Themen gibt es genug. Zum Beispiel die Frage, ob es richtig sein kann, dass der Klett-Verlag Jugend-Forscht-Gewinnern für 1000 Mark ein Programm abkauft, an dem 2 Jahre Entwicklungsarbeit steckt. Oder ob computergesteuerte Küchenherde wirklich unumgänglich sind. Ab wann dürfen sich weibliche Computer schminken und was haben Computer mit Zukunft zu tun? šberhaupt Zukunft. Das ist das große Wort, das aufzeigt, warum Computertreffen so wichtig sind. Denn man sollte es schon ein bißchen vorher bemerken, wenn der Bälkker seinen Laden zumacht und die Brötchen nur noch durch den Draht schiebt. Darin können zwar die letzten Computergegner stolz darauf sein, daß sie immer noch keinen Rechner haben, Aber sie werden verhungern. - Naja, ein bißchen weit hergeholt dieses Beispiel.
Zum Abschluß noch ein Wörtchen an die ganz jungen Kids, die zum Teil noch mit ihren Eltern kamerl. Schickt eure Eltern nach Hause und bleibt einfach noch ein bißchen länger. Computern ist nämlich vielmehr als Sinclair Spektrum, drei dumpfe Rechen- Lern-Programme und ein dröges Bang-Bang-Spiel. Der nächste PUBLIC DOMAIN findet Ende Mai/Anfang Juni statt.
Stadtblatt, Dezember 1987