Acht, neun oder zehn Leute im Berliner Künstlerhaus Bethanien, 1988: »Besser achen« das Motto ihrer Arbeit. »Bismarc Media« der Name des Projekts. Mengen bedruckten Papiers sollten von den Journalisten und Künstlern zum Thema erstellt werden. »Ein Beispiel: 'Stalingrad' - wurde nicht jahrzehntelang an Tausenden von Stammtischen darüber nachgesonnen, wie man die Schlacht um Stalingrad hätte besser machen könen, ja, wie man dort eventuell sogar hätte siegen können ... ?! Stalingrad war also ein wichtiger Beitrag zum Thema "Besser machen!" Es gibt aber noch ganz andere Dinge zu verbessern: das reicht vom "Salzstreuer" bis zur "Währungsreform", von der "Mondscheinsonate" bis zur "Künstlersozialversicherung"(KSK) ... Schier alles ist "besser gemacht" vorstellbar.«
Das Ergebnis der zweijährigen Arbeit: 284 Seiten Buch. Eine Endlos-Recherche über dieses und jenes. Interviews und Briefwechsel. Nachdenken über Querulanten, Spekulanten, Expertensysteme und Sprayer. Auch ein Tagebuch findet sich im Sammelsurium der Fragmente.
'Wie Wiedervereinigung besser machen?' fragten sich Sabine Vogel und Helmut Höge - zwei der Bismarc Media AktivistInnen - im November 1989, fuhren vor die Tore Berlins über die Brücke der Einheit, und steuerten kurz hinter Babelsberg die nächstmögliche landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft an. Nach einstündiger Diskussion war man sich einig. Die Kulturschaffenden der Gruppe 'Bismarc Media' und die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft 'Florian Geyer' in Saarmund (Bezirk Potsdam) vereinbaren einen 'Betriebs-Sponsoring-Kontrakt'. Die beiden Journalisten zwängten sich von nun an für vier Mark Grund- und eine Mark Leistungslohn täglich in die volkseigenen Gummistiefel und schaufelten Rindermist. Nebenbei organisieren sie der LPG im Westen Berlins Absatzmöglichkeiten und Ausstellungen. »Als Zeitungsredakteure hatten wir uns dann später mehr und mehr dafür begeistert, statt traditioneller Kulturleistungen - wie Filme, Bücher, Theaterstücke etwa - eine soeben erschienene Büchse Erbsen beispielsweise zu rezensieren.« Zur Zeit des Umbruchs meiden Sabine Vogel und Helmut Höge das journalistische Warentermingeschäft mit schnellen kurzen Texten. Sie haben sich den journalistischen Ausnahmezustand verordnet, führen allein Tagebuch und versuchen Auszüge daraus an Zeitungen zu verkaufen, meistens erfolglos. Denn sie erzählen ihre Geschichten in langen Ausführungen, assoziativ, dem Alltagsdenken folgend.
»Und dann rückten die ersten Medienvertreter auch schon selber an: Das SFB-Fernsehteam mit seinem solariumsgebräunten Redakteur drehte Fahlkorst - Rinder- und Schweinekomplex - binnen 20 Minuten ab. 'Fahr ich halt mal mit dem Trecker übern Hof, wenns die so haben wollen', kommentiert Michael seinen Auftritt schnurz. Renate bekommt die Regieanweisung, langsamer zu füttern, damit sie besser ins Bild passt 'von vom und von hinten!'«
Helmut Höge und Sabine Vogel kommen am Sonntag, dem November, in den Bunker Ulmenwall. Offiziell um 15.00 Uh wahrscheinlich aber erst nach 16.00 Uhr stellen sie Texte der Babelsberg-Recherche vor. Zude werden sie unter Zuhilfenahme einer umfänglichen Diareihe versuchen, den Anwesenden das Phänomen der Virtuellen Realität auf recht ungewöhnliche Weise nahe zubringen. Dargereicht wird die herbe Mixtur vom Buchladen Eulenspiegel und dem »Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs« (FoeBuD e.V.).
Dirk Henn
Die Zitate sind dem Buch »Babelsberg, Eine Endlos-Recherche«, der Projektgruppe »Bismarc Media« entnommen. (Edition Nautilus, 29,80DM)
Stadtblatt, 31. Oktober 1991