»Ich kann mit meinem Astralkörper fremde Universen besuchen und meine eigenen Welten oder Universen erschaffen«. Friedrich Delgado Friedrichs sitzt in der hintersten Ecke des Ulmenwall-Bunkers und schwelgt in den meditativen Weiten des Magierdaseins. Während er der Frage: »Wozu Magick?« nachgeht, reichen die ZuhörerInnen das Saalmikrophon weiter. Auf der Public Domain, dem Diskussionszirkel der Computerfreunde, ist das begehrte Mikro mittlerweile bei einem fröhlichen Mittvierziger mit Anzug angelangt. Der nutzt sofort die Chance und nagelt den Magier: »Wie oft warst Du denn in diesen Universen?« Friedrich Delgado - blaue Augen, blaues Hemd und blaue Jeans - denkt, sagt: »Naja, einmal. Aber ich war noch in Erdnähe. Ich habe die Trolle besucht. Die hatten eine interessante Technik, Nachrichten zu übermitteln. Die konnten sich über Erdschwingungen verständigen.« Der Mittvierziger läßt nicht locker. >,ja, und wie lange warst Du da? Einen Tag?« »Nein, nur für eine Stunde. Ich bin auch erst Anfänger, aber das hat mir einen Einblick in die Möglichkeiten gegeben.«
Die Computerfreunde lassen sich keine Düllen ins Hemd reden. Wenn der Magier aus Grabenstedt loslegt, wird nachgefragt. Geglaubt wird nur, was verstanden ist. »Das mit den Trollen ist ja schön und gut. Aber wie kommt man denn dahin?« Ganz einfach! Der geübte Magier steigt mit seinem Äther-Körper durch das entsprechende Symbol des Pentagrammes. Schon ist er da.' »Mit Drogen, oder ohne?« »Immer ohne«. Alles klar. Der verschrobene Jüngling wird den Computerfreunden sympathisch. Und was ist Magie nun? Der blauäugige Zauberlehrling führt seinen Vortrag fort. Nach Alistair Crowley versteht er Magick als »Kunst und Wissenschaft, Veränderungen nach dem Willen zu bewirken. Mit Magie kann jeder alles erreichen, wenn wir es nur richtig machen.« jede bewußte Handlung sei Magie - wenn sie denn nur gewollt war. So Banales hatten die Zuhörer nicht erwartet, aus den hinteren Reihen ruft ein Mann: »Also, ich bin Mechaniker. Und wenn mal 'ne Maschine nicht läuft und ich weiß nicht, woran es liegt, dann mach' ich Folgendes: Ich zerleg' das Ding in seine Einzelteile. Mach' das alles schön sauber und bau' alles wieder zusammen. Dann geht das Ding wieder. Was ich damit sagen will: Wo ist denn jetzt da das Magische an deiner Magie?«
Nunja, dem Magier geht es ja nicht nur darum, irgendeine alte Maschine zu reparieren. Der Magier will in die anderen Universen, kann mit Wesen anderer Welten sprechen, sich von seinem physischen Körper trennen und in seinem Astralkörper durch die Welten flitzen. Zu all dem gehört natürlich die Bereitschaft, magische Zustände hervorzurufen. Wie das funktioniert, will Friedrich Delgado Friedrichs nicht so recht kundtun, sagt nur: »Zum Beispiel muß man bestimmte Töne intonieren, bei denen der eigene Körper und der Raum mitschwingen.«
Eine Fülle von Körperübungen stehen auf dem Lernplan des Zauberlehrlings: Bioenergetisches Training, Yoga, Einzelmuskelentspannung, Massagen und MantraMeditationen. Auf der anderen Seite werden Grundlagen der Philosophie, Psychologie und Logik geübt. Besonders gern schreiben Magier Computerprogramme, das schult das logische Denken und führt die Konsequenzen eigener Entscheidungen vor Augen. Die liebste Theorie-Spielart der Gegenwart ist ihnen der Konstruktivismus. 1988, als Friedel Delgado noch in Oerlinghausen aufs Gymnasium gegangen ist, hatte er die ersten Kontakte zu Magiern. Später dann, als er Zivildienst in Bielefeld gemacht hat, ist er schon regelmäßig nach Bergen an der Dumme gefahren. Dort treffen sich die Mitglieder eines der beiden großen Magierzirkel. 1977 in Berlin entstanden, ist der Zusammenschluß so jung, wie seine Mitglieder. Rund zwanzig Magick-Anwärter treffen sich täglich zu den gemeinschaftlichen magischen Übungen. Hauptberuflich sind sie Zahntechniker, Programmierer oder technische Angestellte. Den auch im falschen Alltag gibt es die richtige Magie.
Dirk Henn
Stadtblatt, 07. Mai 1992