Visionen und Gefahren

Cyber-City San Francisco

Von Alexandra Jacobson

Bielefeld. Früher lebten im Silicon Valley in der Bucht von San Francisco die Indianer. Heute wimmelt es in dem Tal von Computerunternehmen. Mit dem Kontrast von alt und neu beginnt der Film "Cyber-City San Francisco". Autor Manfred Waffender stellte seinen fürs Fernsehen produzierten Film im Bunker Ulmenwall vor. Eingeladen hatte der Verein FoeBud, der in seinen "Public domain"-Treffen jeweils am ersten Sonntag im Monat alle möglichen Themen aus der Welt der Computertechnik angeht.

Nach den Indianern kommt der Publizist Howard Rheingold. Der betont, daß ein vom Computer unabhängiges Leben für ihn noch existiert. Und er macht klar, was für ihn das wichtige an der Online-Technologie darstellt: die neuartige Kommunikation von Menschen mit gleichen Interessen. Im weiteren Verlauf äußern sich dann aber seltsamerweise hauptsächlich Leute, und das ist eine kleine Schwäche des Film, die mit dem Internet ganz andere Interessen verfolgen. Sie gehören zu einer kleinen, hochprofessionellen Schicht, die ihre Brötchen mit dem Netz verdienen. Will Wright etwa, der Erfinder des Computerspiels "Sim City", eine deutsche Designerin, die für das Online-Magazin "Hot wired" arbeitet: sie alle vermitteln einen Hauch von Goldgräberstimmung. Das ist zwar mitreißend, hat aber wie so vieles im Leben zwei Seiten: Wer den ganzen Tag am Netz hängt, kämpft mit einer Flut von Informationen, die kein menschliches Gehirn mehr verarbeiten kann. Viel Oberflächlichkeit, wenig Tiefe, stellt denn auch ein besorgter Profi im Netzgetümmel fest.

Und Leute, die geradezu suchtartig nur noch vor der Kiste hängen, bedroht mittlerweile schon eine neue Krankheit: ADD (attention defizit disorder). Chronisches Zuspätkommen und Konzentrationsschwierigkeiten gehören zum Krankheitsbild. Da hilft nur eins: öfter mal den Ausknopf betätigen und am richtigen Leben außerhalb des Cyberspace teilnehmen. Das sieht nach wie vor nicht nur rosig aus, wie Waffender durch Zwischen schnitte klarmacht. San Francisco ist nicht nur ein Paradies für Visionäre und faszinierender Melting-Pot, son dern auch eine Stadt mit Armut und Arbeitlosigkeit.

Der Film "Cyber-City San Francisco" läuft übrigens am 24. März in 3 SAT. FoeBuD e.V. - Marktstraße 18 o D-33602 Bielefeld Tel: +49-521-175254 - Fax: +49-521-61172 eMail: foebud@bionic.zerberus.de - http://www.zerberus.de

Neue Westfälische, 07. Februar 1996