Der Satellit weiß alles

Von Ariana Mirza

Ralph Schraven (links) erklärte das Satellitensystem 'GPS' Sie schweben schon seit fünf Jahren durchs All - die 24 Satelliten, die unsere Zukunft mitbestimmen werden. Ursprünglich aus militärischen Gründen im All plaziert, sollen sie der Menschheit jetzt auch im ökonomischen und privaten Bereich auf die Sprünge helfen - beziehungsweise zum "exakt definierten Standort".

Wie sowas genau funktioniert, darüber informierte Ralph Schraven, Marketing-Manager im High-Tech-Bereich, die Besucher der dieswöchigen "Public-Domain"-Veranstaltung im Bunker Ulmenwall: "Global Positioning System", kurz "GPS", nennen die USA ihr weltumspannendes Satellitennetz, daß eben diese exakte Standortbestimmung eines beliebigen Objekts (im Idealfall) bis auf wenige Zentimeter möglich gemacht. Die Russen lassen zum selben Zweck ihre Satelliten unter dem Kürzel "GIONASS" (Global Navigation Satelite System) durchs All kreuzen.

Der militärische Nutzen scheint klar - aber wieso interessiert sich die Wirtschaft dafür, und was sollte ein Autofahrer mit "GPS" anfangen? Nun, Speditionen können bereits jederzeit den Standort, die Bewegungsrichtung und - bei entsprechender Softwareanbindung - die derzeitige Ladung ihrer Lkw abrufen. Verschwundene Container (jedes Jahr gehen ca. 10 000 verloren) werden in unübersichtlichem Gelände problemlos wiedergefunden. Die Mähmaschine weiß, wolang sie fahren muß, ebenso der Bagger bei Bauarbeiten.

Mit"GPS"-Empfängern ausgerüstete Autofahrer verfügen über ein Navigationssystem, das unter Berücksichtigung aktueller Staus und anderer Hindernisse, die kürzeste und sicherste Strecke herausfiltert. Die Etablierung eines elektronischen Fahrtenbuches auf "GPS"-Basis scheint absehbar. Und der serienmäßige Einbau eines automatischen Notrufs (mit genauer Ortsbestimmung) wird derzeit von marktführenden den Automobilherstellern vorangetrieben. Laut Studien des Frauenhofer Institutes könnten Busse - bei Nutzung des Systems - auf grüner Welle fahren und die Bahn vermöchte ihr Streckennetz sicherer zu gestalten (allerdings ist von dieser Seite noch kein Interesse bekundet worden). Soweit die geplante Realität, die Visionen gehen einen - bedenklichen - Schritt weiter: Im Jahre 2005 gehört "GPS" zum Alltag. Beim Familienausflug weiß Papa dank "Find-it-all"-Gerät immer, wo das Auto steht, wo die gotische Kirche und wo der Abort zu suchen ist - selbst im dichtesten Nebel. Im Jahre 2020 bricht für Jugendliche eine schlechte Zeit an; der "Personal locator" verpetzt jeden Discobesuch (Orwell läßt grüßen) ... Es sei denn, die Amerikaner schalten "GPS" mal kurz ab, dann bräche allerdings das abhängige Verkehrs- und Ortungsnetz in Europa zusammen. Die plant nämlich nur ein Präzisionssystem, eine "Entstörungsstelle" im All einzurichten; ein eigenständiges, udn abhängiges Satellitennetz wird nicht erwogen.

Padeluun, den Mitinitiator der Diskussionsrunde zu Technik- und Zukunftsfragen, entsetzen derartige Visionen, er unterbricht Ralph Schravens Vortrag mit Fragen - nach staatlicher Unabhängigkeit und nach Datenschutz. Fragen, die auch wir uns in Zukunft stellen sollten.

Neue Westfälische, 07. November 1998