Bielefeld. Der Berliner Autor Mathias Bröckers erlebte am 11. September 2001 am Fernseher, wie die Türme des World Trade Centers einstürzten. Er lauschte den offiziellen Erklärungen zu der Attacke, und dann beschlich den 48-Jährigen ein "gefühlsmäßiges Unbehagen": "Irgend etwas schien mir überhaupt nicht zu stimmen, aber ich wusste nicht, was."
Bröckers vertraut seine Irritation dem Computer an, und das Online-Magazin Telepolis stellt das "konspirologische Tagebuch" ins Netz. Im September hat Zweitausendeins die gesammelten Verdächtigungen als Buch herausgebracht: "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9." geht gerade in die 15. Auflage, rund 35.000 Exemplare sind bereits verkauft. Und das, obwohl die Medienmaschine, die der ehemalige faz-Redakteur in seinem Buch so herzhaft als "vernuttetes Mediengewerbe" tituliert, das Buch weitgehend ignoriert oder aber ungnädig behandelt hat.
So lästerte Ulrich Fichtner kürzlich im Spiegel: "Bröckers' Buch dokumentiert die Denkart eines deutschen Milieus, das sich zwischen Woodstock und Brainwashington politisierte, knapp zu jung für 1968, viel zu alt für 1989, aber unerschütterlich im Glauben an die Macht der eigenen Weltsicht, der sich die Wirklichkeit zu fügen hat, nicht umgekehrt."
Vor wenigen Tagen trafen sich Fichtner und Bröckers zum Rededuell beim WDR. Die Nachfrage nach Mitschnitten soll groß "gewesen sein. Auch bei Zweitausendeins melden sich begeisterte Leser: "Die freuen sich, dass Bröckers Fragen stellt, die andere gar nicht zu stellen wagen", sagt Zweitausendeins-Sprecher Axel Winzer. Bröckers selbst betont, dass er keine Antworten geben will: "Ich verspreche weder einfache Lösungen noch perfekt passende Deckel aufbrodelnde Töpfe von Widersprüchen, noch stimmige Endreime auf Berge von Ungereimtheiten." Aber er verspricht seinen Lesern, dass er ihnen das "Propaganda-Menü, das die Köche in Brainwashington D.C. und ihre Medienkellner auf allen Kanälen servieren" vermiesen wird.
Gegen die geistige Gleichschaltung hat Dr. Bröckers ein Rezept parat: "Zweimal täglich googeln und sich sein eigenes Bild machen - das hilft zuverlässig gegen virulente Manipulationen, Propaganda-Infektionen und drohende chronische Verblödung." Google ist eine Internet-Suchmaschine.
Während sich die Medienmacher von der offiziell ausgestreuten Osama-Bin-Laden-Verschwörung den Geist hätten vernebeln lassen, schimpft Bröckers, habe er in den Weiten des Internets die "Achse der Verdächtigen" ausgemacht: USA, Saudi-Arabien, Pakistan.
Im Anhang stellt Bröckers 100 ungelöste Fragen, und es sind gute, wichtige Fragen. Fragen, die - und da hat Bröckers leider Recht - zu selten gestellt weden, geschweige durch Recherche beantwortet werden. Das leistet auch Bröckers nicht. Allerdings war das auch gar nicht seine Absicht. Das größte Verdienst des Autors ist es, Zweifel und ein gesundes Misstrauen zu wecken. Umso bedauerlicher, dass man sich durch viel polemischen, selbstverliebten Ballast wühlen muss, um zum harten Kern des Buches vorzustoßen.
Mathias Bröckers spricht am Sonntag, 3. November ab 15 Uhr auf Einladung des Vereins FoeBuD im Bielefelder Bunker Ulmenwall, Kreuzstraße 0, über seine Verschwörungstheorie.
ANKE GROENEWOLD, NW 31.10.2002