Regionalgruppe Bremen

Krieg und Frieden im Netz

Am 5. Februar 1997 fand unter dem Titel "Krieg und Frieden im Netz: Kommunikation - Information - Manipulation" eine Vortragsveranstaltung der FIFF-Regionalgruppe Bremen gemeinsam mit dem Informatik-Kolloquium im Gästehaus der Universität statt. Zu einem Zeitpunkt, an welchem "Internet", "Informationsgesellschaft", "Infobahnen" etc. in aller Munde sind, sollte diese Veranstaltung sowohl auf Aspekte militärischer Nutzung von Computernetzwerken C hinweisen als auch gegenwirkende Potentiale aufzeigen.

Aus dem militärischen ARPANET entstanden, wirkte fungierte das Internet lange Zeit nach außen hin vor allem als Netzwerk für wissenschaftliche Kommunikation und Kooperation. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Kommerzialisierung Lind zunehmenden Verbreitung des Internets treten Militär und Rüstungskonzerne als Werbetreibende stärker in den Vordergrund. Tobias Pflüger, Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in Tübingen (http://www.gaia.de/imi/imi1.htm) beschäftigte sich in-seinem Vortrag "Holen sich die Militärs das Internet zurück? - Wie Bittzdes7velir und DASA das Internet für ihre Werbeoffensiven Piiitzeii" eingehend mit der derzeitiaen Werbeoffensive der Bundeswehr, der aktuellen Aufrüstungswelle für die "nette" Bundeswehr und neuen Spezialeinheiten der Bundeswehr, wie dem Kommando Spezialkräfte in Calw. Er zeigte dabei insbesondere die wichtige Rolle von Informations- und Kommunikationstechnik auf: Bei der Werbeoffensive der Bundeswehr ist das Internet eine zentrale Säule (die Zielgruppe der Bundeswehr ist bei den Internet-Nutzern überdurchschnittlich vertreten), bei der Aufrüstungswelle liegt der quantitative Schwerpunkt im Bereich neuer Kommunikationseinrichtungen und die nette Spezialkampftruppe hat als Hauptaufgabe die Unterbindung und Zerstörung von Kommunikation der zukünftigen Kriegsgegner. Gleichzeitig treten auch Rüstungsunternehmen mit ausführlichem Informationsangebot verstärkt an die Offentlichkeit. Pflüger sieht dies als einen Teil einder zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft. Nicht zuletzt soll auch auf diesem Weg ein Klima und höhere Akzeptanz für "schnelle Eingreiftruppen" und "out of area"-Einsätze der Bundeswehr geschaffen werden. Militärs und Rüstungsindustrie sind - so Pflügers Resum~ - mitten in einer Informationsoffensive, es sei dringend Zeit für eine Informationsgegenoffensive.

Daß Informationstechnik- nicht nur kriegerisch nutzbar ist, machte Rena Tangens, Künstlerin und Begründerin der BIONIC-Mailbox in Bielefeld (http://www.foebud.org) in ihrem Vortrag "ZAMIR Transnational Network" - Kommunikation über Fronten hinweg" deutlich. Seit 1991 existiert in Ex-Jugoslawien das ZAMIR-Netz ("za mir" ist serbokroatisch und bedeutet "für den Frieden") - ein Mailbox-Verbund, über den schon während des Krieges Hunderte von Anti-Kriegs-Gruppen in den verschiedenen Teilen des früheren Jugoslawiens untereinander Kontakt hielten. Da die direkten Telefonverbindunuen frühzeitig gekappt worden waren, lief der Datentransfer über die 1987 begründete BIONIC-Mailbox in Bielefeld, die seit Jahren einen wichticen Knotenpunkt mehrerer Mailbox-Netze bildet (Z-Netz, /CL-Netz, Zamir). Das Beispiel ist nicht zuletzt deshalb überaus interessant, da es zeigte, wie mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand frontenübergreifende Kommunikation in diesem Kriegs- und Krisengebiet moalich wurde. Es entstand eine Art "Geschichte von unten" - auch als Kontrapunkt zu den Zensur und Nationalismen verpflichteten offiziellen Medien. Die technische Infrastruktur ist einfach beschaffen Lind deswegen auch weniger empfindlich gegenüber stattlichen Ubergriffen. Pointprogramme Lind Offline-Reader ermöglichen kostengünstigen Austausch von Datenpaketen; als Rechner dienen z.T. einfache 286er und 386er PCs. Hoch-eschwindi-keitsleitungen und Multimedia-Möc,lichkeiten sind keine Voraussetzung für demokratische und innovative NtitZLIn0' von Computer-Netzwerken. Vielleicht führt die Beschrankunc auf Texte sogar zu einer 0 t2 stärkeren Konzentration auf die Inhalte?

Zu beiden Vorträgen gab es angeregte Diskussionen mit teilweise kontroversen Diskussionsbeiträgen. Hierbei wurde erneut - ähnlich wie bei unserer Veranstaltung "InformatikForschung für den Krieg?" vor anderthalb Jahren - die Notwendi-keit und das Interesse an der weiteren Auseinandersetzung mit derartigen Themen deutlich. Beispielsweise wurde mehrfach der Wunsch geäußert näheres über "lnformation Warfare" zu erfahren. Für die Bremer FIFF-Regionalgruppe war dies eine erneute Bestärkung, neben anderen Themen das leider immer noch aktuelle FIFF-Gründungsthema "Rüstung und Informatik" als einen zentralen Punkt der eigenen Aktivitäten weiterzuführen.

Die Zukunft von Rüstungsproduktion und Rüstungskonversion bei STN Atlas Elektronik

Nur wenige Tage nach unserer Vortragsveranstaltung beschäftigte sich die FIFF-Regionalgruppe Bremen bei einem ihrer regelmäßigen Treffen erneut mit dem Thema Rüstung. - diesmal unter ganz anderer Perspektive.... Auf der Tagesordnung standen die lokalen Probleme in Bremen über die ein Betriebsrat referierte.
Vom Konkurs des Vulkan-Verbundes sind auch Computerfirmen direkt betroffen, so auch die Firma STN Atlas Elektronik, die n- dt 4600 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber für Informatiker in Norddeutschland ist. Aktuell soll diese ehemalige Vulkantochter an ein Konsortium unter der Führung von Rheinmetall verkauft werden. Beide Firmen STN wie Rheinmetall haben Schwerpunkte in der Rüstungsproduktion. Gefördert durch das Konversionsprogramm "KONVER" wird bei STN seit mehreren Jahren die Umstellung ursprünglich militärischer Produktion auf zivile vorangetrieben.
Mit dem Verkauf der STN an Rheinmetall und dem geplanten teilweisen Weiterverkauf an British Aerospace formiert sich ein komplettierter Rüstungskonzern. Der zivile Sektor bei STN soll deutlich reduziert werden, damit sind die Konversionsbemühungen konterkariert.

FIFF, März 1997