Sich der rasanten Entwicklung der elektronischen Technologie zu
widersetzen, ist ebenso unsinnig wie der Versuch, die Wellen des Meeres
aufzuhalten. Es ist nicht mehr die Frage, ob wir die "schöne neue Welt"
wollen oder ob wir sie nicht wollen, sondern wie wir sie bevölkern und
gestalten werden.
Mit den neuen Kommunikationstechniken kommt ein neues Denken, und mit
dem neuen Denken kommen neue Funktionsstörungen. Die Modekrankheit im
Cyberspace heißt
Und als Ergebnis: der Zerfall sozialer Beziehungen.
ADD
, das steht für Attention Deficit
Disorder
und
hat unter deutschen Ärzten noch keinen eigenen Namen. Was bis vor
wenigen Jahren als Diagnose auf Kinder, insbesondere auf wilde,
hyperaktive Buben, begrenzt war, wird als Syndrom in zunehmendem
Maße
auch unter Erwachsenen beobachtet:
Wann werden wir endlich Zeit haben, die Fragen zu stellen, die Sokrates
schon vor 2000 Jahren gestellt hat:
"Was ist das Wahre, das Gute, das Schöne?"
Wir haben uns in einer Maschine verfangen, die ihren eigenen Gesetzen
gehorcht. Wir leben unser Leben im Tempo der Maschinen, mit der
fragmentierten Wahrnehmung der Kommunikationsmedien.
Wollen wir so leben?
Wollen wir so werden?
"Wozu gibt es Menschen?"
"Wie sollen wir unser Leben leben?"
Ich versuche in unserer gesamten Arbeit einen spirituellen Blick zu
bewahren. Denn Spiritualität ist der Kern unseres Wesens.
Mircea Eliade, ein brillianter Anthropologe, sagte: "Das Heilige ist
das, was die Welt ontologisch begründet." Das Heilige ist das, was das
Sein in die Welt setzt.
Wenn wir in den Cyberspace gehen, wenn wir in einer Umgebung miteinander
kommunizieren, in der es nichts Heiliges gibt, dann wird dies kein Ort
sein, an dem wir sein können. Und wenn wir dennoch dort bleiben, wird
uns dieser Ort das Menschliche nehmen. Es sei denn, wir statten diesen
Ort mit Heiligem aus. Ich sehe dies als notwendige Einführung, um einer
Entmenschlichung durch die Technologie entgegenzuwirken.
Das Netz hat seine eigene Energie. Und es gibt den Menschen Energie. Was
mir Sorgen macht, ist, daß wir zu Surfern werden, die keinen
Tiefgang mehr kennen. Wenn wir aber nur dasitzen und an der
Oberfläche
grasen und von einem Ort zum anderen springen, ohne Tiefe, wie wollen
wir dann über uns selbst nachdenken - oder hinter einen Gedanken
schauen?
Howard Rheingold im Film "Cyber City: San Fr@ncisco":
Es ist noch keine eigene Kultur. Es ist eine Art Zeitgeist. Es will mal
eine Kultur werden. Wenn man durch die Welt reist, trifft man Leute, vor
allem Männer - aber das ändert sich gerade -, die meisten zwischen 18
und 40 Jahre alt, die viel Geld verdienen. Sie sprechen nicht dieselbe
Sprache, aber sie verstehen
Viele Leute sind müde zu hören, daß in den 60er Jahren das letzte Mal
etwas Interessantes passiert ist. Sie wollen ihre eigene Kultur. Es
ist noch keine Kultur, weil noch keine eigenen Werte entstanden
sind.
Die Gegenkultur hatte ihre eigenen Werte: Gegen den Krieg, gegen
Rassismus, stattdessen Nonkonformismus und selbständiges Denken.
Und das selbständige Denken ist auch heute wichtig. Heute
heißt es: "Kauft nicht die vorgefertigten Medien von Sony und IBM! Macht Euch Eure
eigenen!"
Unix
, sie verstehen
Internet
und
Photoshop
. WIRED
ist ihr Markenzeichen.
Eric Adigard, Designer, im Film "Cyber City: San Fr@ncisco":
Es gibt eine einzigartige Geschwindigkeit hier in San Francisco. Alle
sind auf der Suche. Und das erzeugt ein Wettbewerbs-Klima. Alles wird
schneller - alle arbeiten an derselben Sache. Es passiert viel in den
unterschiedlichen Bereichen, aber alles geht in die gleiche Richtung.
Und das heißt: die Entwicklung neuer Werkzeuge, neuer Medien und neuer
Sprache für ein neues Zeitalter
[new age]
oder eine neue Kultur.
Man ist auf der Suche ... ... da herrscht ein Fieber ... die
Viren
,
über die man vor 5 Jahren anfing zu reden, welche die
Computer
infizierten, die kriechen jetzt in unser Leben. Jeder redet über AIDS,
gerade hier in San Francisco, aber es gibt auch Viren, die aus dem
Computer kommen, zum Beispiel ADD
[Attention Deficit Disorder] -
wobei das eher ein kleines Übel ist. Es gibt ganz andere Viren, die wir
gerade beginnen wahrzunehmen.
Mark Pesce, Programmierer, im Film "Cyber City: San Fr@ncisco":
Wir waren schon immer dort. Cyberspace ist ein Ort in unseren
Köpfen.
Ich war gerade einen Tag auf dem Land, und als ich zurückfuhr nach San
Francisco, blickte ich von einem Steilufer aus auf die Stadt. Ich sagte
mir: "Diese Architektur ist auch Cyberspace, sie wurde von Menschen
geschaffen, sie existiert in unserer Vorstellung. Die Tatsache, daß es
sie gibt, beruht darauf, daß wir sie uns vorgestellt und sie gebaut
haben."
Cyberspace im Reich des Computers ist nichts anderes.
Kultur existiert im Cyberspace.
Sabine Messner, Online-Designerin bei WIRED,
im Film "Cyber City: San Fr@ncisco":
Ich glaube, daß wir fast schon auf 'ne Art gezwungen sind, viel zu
vergessen, wieder viel rauszufiltern, weil ... ich glaube, daß wir in
einem Informations-Überschuß leben.
Für mich ist das auch nochmal so ganz deutlich geworden, seitdem ich
hier bin:
Die Fülle von Informationen, die durch mich hindurchfließt, also
sozusagen durch meinen Körper, durch meine Hand, durch die Maus, durch
den Computer, durch den Server ins Netz raus, ist jeden Tag
gigantisch.
Und manchmal hab ich so das Gefühl, wenn ich dann abends nach Hause
komme, es ist mir zuviel, es ist mir manchmal einfach zuviel, und ich
möchte dann eigentlich aufschreiben und möchte irgendwie so irgendwas
festnageln, weil ich denke: "Ah, da waren interessante Sachen dabei."
Und andererseits denke ich so, ich muß es auch als Selbstschutz wirklich
vergessen.
Zusammengestellt von Wolfgang Doelz in:
/CL/MEDIEN/VERNETZUNG